Legitimiert der Koran die Heirat mit Minderjährigen?

In vielen muslimischen Ländern gehört es einfach zum Alltag, dass minderjährige Mädchen mit älteren Männern verheiratet werden.

Doch was ist hierfür die Grundlage? Sind es eher kulturelle Einflüsse, oder lässt es sich tatsächlich auf die Religion Islam zurückführen?

Es scheint, als würden sie diese Legitimation aus dem Koran 65:4 ableiten:

Und wenn ihr bei denjenigen von euren Frauen, die keine Menstruation mehr erwarten, (irgendwelche) Zweifel hegt, soll ihre Wartezeit (im Fall der Ehescheidung) drei Monate betragen. Ebenso bei denen, die (ihres jugendlichen Alters wegen noch) keine Menstruation gehabt haben.“ (Übersetzung nach Rudi Paret)

Die ältesten Korankommentatoren, wie Abu Dschafer Tabari (gest. 923), schrieben zu diesem Vers folgendes:

„In diesem Vers ist mit „wellai lem yahidne“ diejenigen gemeint, die im Kindesalter verheiratet  und kurz darauf willkürlich geschieden werden, ohne jedoch die Menstruationsphase (Pubertät) erreicht zu haben..“ (Tabari, Camiu´l Beyan, XII. 133-134; ibn Atiyye, el-Muharreru´l-Veciz, V. 325)

Der pakistanische Gelehrte Abu-l- Ala Mawdudi (gest. 1979)  kommentierte 65:4 ebenfalls:

„Ebenso bei denen, die (ihres jugendlichen Alters wegen noch) keine Menstruation gehabt haben.“

Mädchen, die keine Menstruation gehabt haben, sind noch Kinder. Also erlaubt der Koran ausdrücklich, dass Männer diese Mädchen heiraten und zugleich sexuellen Verkehr haben dürfen. Wenn Gott eine Sache erlaubt hat, so hat kein Muslim das Recht, es zu verbieten“ (Tefhimul Kuran, Bd.6, S. 375)

Wie ist nun dieser Koranvers zu verstehen? Gibt es noch andere Verse in Bezug auf die Erläuterung dieses Sachverhaltens?

Der Koran erwähnt explizit, dass alle Verse im einzelnem erklärt worden sind:

„(Dies ist) ein Buch, dessen Zeichen eindeutig festgefügt und hierauf ausführlich dargelegt sind von Seiten eines Allweisen und Allkundigen.“ (Koran11:1)

Die Sure 4 (Frauen) gibt einen Überblick und legt zugleich fest, ab welchem Alter Kinder heiratsfähig sind.

Und prüft die Waisen, bis sie die Ehereife erreicht haben; und wenn ihr in ihnen Vernunft wahrnehmt, so händigt ihnen ihr Gut aus. Und zehrt nicht auf verschwenderisch und in Eile (in der Erwartung), dass sie nicht großjährig würden.“ (4:6)

In diesem Vers wird es unmissverständlich dargelegt, dass eine Ehefähigkeit einsetzt, wenn bei ihnen Vernunft festgestellt wird. Der türkische Theologe Prof. Süleyman Ates schreibt hierzu: „Es kann allgemein angenommen werden, dass ab einem Alter von fünfzehn, die Geschlechtsreife eintritt. In einem Hadith wird überliefert, dass ein Junge mit vierzehn Jahren in einem Feldzug sich beteiligen wollte, doch der Prophet es ablehnte. Erst ab dem fünfzehnten Lebensjahr durften sie sich an Feldzügen beteiligen.“ (Abu Dawud, Hudud; Süleyman Ates: Bd. 2, S.17)

Nach Imam Abu Hanifa (gest. 767) erreicht der Mensch seine Mündigkeit mit achtzehn Jahren und die Vernunft ist die Voraussetzung für die Mündigkeit. (Tefsiru ayati’l-ahkam Bd.2, S.31)

Den Koranvers 65:4 kann man insofern nur so verstehen, dass es in der vorislamischen Zeit erlaubt war, geschlechtsunreife Mädchen zu heiraten. Diese Vorgehensweise konnte nicht sofort beseitigt werden, da sie tief in der arabischen Sitte verankert war.  Daher ist diese altarabische Praxis nur historisch zu verstehen und darf keinesfalls überzeitlich als Norm verstanden werden!

 

ÜBER DEN AUTOR

Ecevit Polat

9 Kommentare

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  • Wassalamualeykum,
    vorab einen herzlichen Dank für deinen schönen Beitrag hier auf antikezukunft.de. Ich bewundere sehr deinen Arbeitsfleiß. Ich weiss nicht, wie du es schaffst neben der Arbeit und deinem privatem Leben so viele und gute Beiträge in so einer kurzen Zeit zu publizieren. Weiter so!

  • Sehr gut recherchiert! Danke! Aber die Sure 65:4 von Rudi Paret

    “Und wenn ihr bei denjenigen von euren Frauen, die keine Menstruation mehr erwarten, (irgendwelche) Zweifel hegt, soll ihre Wartezeit (im Fall der Ehescheidung) drei Monate betragen. Ebenso bei denen, die (ihres jugendlichen Alters wegen noch) keine Menstruation gehabt haben.“ (Übersetzung nach Rudi Paret)

    kann auch so übersetzt werden:

    „Und wenn ihr bei denjenigen von euren Frauen die keine Menstruation mehr erwarten Zweifel hegt soll ihre Wartezeit drei Monate betragen ebenso bei denen die keine Menstruation gehabt haben und bei denen die schwanger sind ist der Termin an dem sie zur Welt bringen was sie tragen wenn einer gottesfürchtig ist schafft Allah ihm von sich aus Erleichterung“

    Das würde auch viel besser mit den anderen Suren in Einklang stehen

    (Quelle: http://meine-islam-reform.de/index.php/artikel/derkoran/668-sure65vers4.html)

  • Übrigens Muhammad Asad übersetzt Sure 65 Vers 4 folgendermaßen:

    „Was nun solche von euren Frauen angeht, die jenseits des Alters der monatlichen Regel sind, wie auch solche, die keine Regel haben, ihre Wartezeit – wenn ihr (darüber) im Zweifel seid – soll drei (Kalender-) Monate sein; und was jene angeht, die schwanger sind, das Ende ihrer Wartefrist soll kommen, wenn sie ihre Last ablegen.
    Und für jeden, der sich Gottes bewußt ist, macht Er es leicht, Seinem Gebot zu gehorchen: denn all dies ist Gottes gebot, das Er euch von droben erteilt hat.“

  • Salam Bruder!! Ich kann mich Eddy nur anschliessen.Du leistest wirklich TOP Arbeit hier und klärst und über viele Missverständnisse auf.Das zeigt mir wieder einmal wie wichtig es ist immer wieder zu hinterfragen und nach zu forschen.Vielen dank
    Salam

  • „Für eure Frauen, die keine Menstruation mehr erwarten, beträgt die Wartezeit drei Monate, wenn ihr Zweifel hegt. Die gleiche Wartezeit gilt für Frauen, die noch keine Menstruation haben. Für die Schwangeren endet die Wartezeit mit der Entbindung.“ lautet der Vers. Wie kann Muhammad Asad die Stelle auf die Schwangeren beziehen, wenn im Nächsten Satz doch schon speziell die Schwangeren erwähnt werden? Außerdem ist Asad den historischen Fakten nicht gerecht. Absolutes No Go was Asad anbelangt. Diese Übersetzung hat niemand so übersetzt, und historisch ganz zu schweigen. Tolle Antwort mit dem Koran Vers hat Ecevit Polat gebracht. Ellerine saglik.

    wslm.

  • Slm Baycan!

    Vorweg.Asad würde niemals etwas philologisch falsches übersetzen

    „Außerdem ist Asad den historischen Fakten nicht gerecht. “

    Ich denke es geht nicht um historische Fakten sondern was der Koran vorschreibt und im Koran ist heirat definitv erst ab Vernunftwahrnehmung erlaubt und das ist definitv erst nach der ersten Regel der Frau es geht nicht darum was Menschen tun sondern was der Koran verlangt der Koran ist lebendig und nicht an das 7.Jhd gebunden es ist Gottes Wort wo nichts ausgelassen wurde und im Detail erklärt wurde

    „Absolutes No Go was Asad anbelangt. Diese Übersetzung hat niemand so übersetzt, und historisch ganz zu schweigen. “

    Ich denke das ist nicht schlimm das niemand es so übersetzt hat es ist philologisch möglich und passt super zum Kontext wichtig ist was Gott will und nicht was Menschen wollen

    LG Eddy

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