Ist der Koran nur historisch zu verstehen?

Unter den islamischen Theologen gibt es einen Streitpunkt, der höchstwahrscheinlich auch in diesem 3. Jahrtausend nicht mehr zu einem Konsens führen wird. Die Kontroverse betrifft die „Deutung“ des Korantextes, ob alles was im Koran enthalten ist, auch für die Ewigkeit bestimmt sei. Im Jahre 2011 veröffentlichte die einflussreiche Tarika der Nakschibandi Orden einen islamischen Katechismus (türk. Ilmihal), wonach es heißt: „so bald im Koran ein Gesetz vorhanden ist, muss dieser unverzüglich umgesetzt werden. Denn alles was im Koran vorhanden ist, ist allgültig für alle Zeiten bestimmt“ (Seyda Muhammed Konyevi, Kadin ve Aile ilmihali, S. 54).

Die Befürworter dieser Sichtweise stützten sich hauptsächlich auf die folgenden Koranverse: „Was du ihnen verkündest, ist der würdige Koran, al-Quran al-Magid, unantastbar auf der wohlverwahrten Tafel“(85:21-22) und „Es ist ein segensreicher Koran in einem wohlaufbewahrten Buch“ (56:77-78). Hiernach soll Gott im Koran alle zeitliche Entwicklungen der menschlichen Gesellschaften berücksichtigt und in Rechnung getragen haben. Deshalb kann alles im Koran zu jeder Zeit praktiziert werden (siehe hierzu: Mustafa Öztürk, Kuran ve Tefsir Kültürümüz, S. 11).

Nach dieser Interpretation ist es nicht relevant, ob es sich um moderne Gesellschaften des 21. Jahrhunderts handelt oder nicht, es soll buchstabengetreu wie in Zeiten des Propheten im 7. Jahrhundert umgesetzt werden.

Auch für den deutschen Muslim und Juristen Dr. Murad Wilfried Hofmann, kann der Islam keinen alternativen Gesellschaftsentwurf bieten, wenn die Rechtsbestimmungen der heiligen Schrift in seiner vollen Tragweite nicht umgesetzt werden: „Es wäre andererseits völlig falsch, so zu tun, als enthielten Koran und Sunna überhaupt keine Rechtsnormen, sondern nur einige Prinzipien und Empfehlungen, und das ausschließlich für den historischen Kontext, eventuell sogar nur für die Gesellschaft von Medina. Vertretern dieser Ansicht kommt es offenbar darauf an, den Islam um jeden Preis für den Westen annehmbar zu machen; denn ohne Scharia enthielte der Islam keinen alternativen Gesellschaftsentwurf mehr“ (Der Islam 3. Jahrtausend, S. 218).

Der ehemalige Direktor des Zentralinstituts „Islam-Archiv“ Muhammad Salim Abdullah, unterteilt die Offenbarungsschrift in drei Kategorien ein.  Nur eine Kategorie wird für ewiggültig eingestuft:

Der Inhalt der islamischen Offenbarungsschrift kann in drei Ebenen eingeordnet werden, die sich sowohl in ihrer Gewichtung unterscheiden wie sie sich auch ergänzen. Die drei Ebenen sind:

a)      Die Ebene des Glaubens;

b)      Die Ebene des Brauchtums;

c)      Die Ebene des Verfahrens.

Praktisch bedeutet das, dass die Glaubensartikel (Ebene des Glaubens) unveränderbar und ewiggültig sind. Dazu gehören ewige Wahrheiten wie die Einheit Gottes, die göttliche Offenbarung durch den Mund der Propheten, Auferstehung, Jüngstes Gericht, Erlösung und Bestrafung unter anderem. Dieser Teilaspekt des Inhalts der Offenbarung ist informatischer Natur (Islam, Muslimische Identität und Wege zum Gespräch, S. 26).

Und Wir schickten keinen Gesandten vor dir, dem Wir nicht geoffenbart hätten: ”Es ist kein Gott außer Mir, darum dient nur Mir.” (21:25)

Unterstützung erhält Muhammad Salim Abdullah vom türkischen Theologen Prof. Ilhami Güler. Der Glaube an den Iman, die Gottesdienste und die Ethik und Moral sind im Koran ewiggültig.

Auch die wenigen Vorschriften der Rechtsregeln (Ahkam), sind in erster Linie eine Antwort und Lösung für die damaligen Gesellschaftsverhältnisse des 7. Jahrhunderts. Die Gesetzesvorschriften im Koran sind keine Maßstäbe, sondern nur Beispiele“, so Güler in seinem jüngstem Buch (din´e yeni yaklasimlar, S. 39).

Um diese Sachlage etwas näher zu erläutern sollen nun einige Beispiele angeführt werden. Der Koran behandelt ausführlich die Erbverteilung in zwei grundlegenden Versen der vierten Sure „die Frauen“ (an-Nisa). Auffallend an diesen zwei Versen ist unter anderem, dass es sich um zwei umfangreiche Abschnitte handelt:

Gott schreibt euch hinsichtlich eurer Kinder vor: „Auf eines männlichen Geschlechts kommt (bei der Erbteilung) gleichviel wie auf zwei weiblichen Geschlechts. Sind es aber (nur) Frauen, mehr als zwei, sollen sie zwei Drittel der Hinterlassenschaft erhalten. Ist es nur eine, soll sie die Hälfte haben. Und jedes Elternteil soll den sechsten Teil der Hinterlassenschaft erhalten, wenn er (der Verstorbene) Kinder hat; hat er jedoch keine Kinder, und seine Eltern beerben ihn, steht seiner Mutter der dritte Teil zu. Und wenn er Bruder hat, soll seine Mutter den sechsten Teil, nach Bezahlung eines etwa gemachten Vermächtnisses oder einer Schuld, erhalten. Eure Eltern und eure Kinder ihr wisst nicht, wer von beiden euch an Nutzen naher steht. (Dies ist) ein Gebot von Gott; wahrlich, Gott ist Allwissend, Allweise“. Und ihr bekommt die Hälfte von dem, was eure Frauen hinterlassen, falls sie keine Kinder haben; haben sie aber Kinder, dann erhaltet ihr ein Viertel von ihrer Erbschaft, nach allen etwa von ihnen gemachten Vermächtnissen oder Schulden. Und ihnen steht ein Viertel von eurer Erbschaft zu, falls ihr keine Kinder habt; habt ihr aber Kinder, dann erhalten sie ein Achtel von eurer Erbschaft, nach allen etwa von euch gemachten Vermächtnissen oder Schulden. Und wenn es sich um  einen Mann handelt – oder eine Frau, dessen Erbschaft geteilt werden soll, und der weder Eltern noch Kinder, aber einen Bruder oder eine Schwester hat, dann erhalten diese je ein Sechstel. Sind aber mehr (Geschwister) vorhanden, dann sollen sie sich ein Drittel teilen, nach allen etwa gemachten Vermächtnissen oder Schulden, damit keinem Erben ein Nachteil entsteht. Dies ist eine Vorschrift von Gott, und Gott ist Allwissend, Milde“ (Koran 4:11-12).

Hiernach erhalten die männlichen Erben doppelt so viel an Anteil wie der von zwei Frauen. Muss dies nun für alle Zeiten so gelten?  Unmissverständlich geht diese Tatsachenfeststellung aus dem folgenden Koranvers hervor: „Auf eines männlichen Geschlechts kommt (bei der Erbteilung) gleichviel wie auf zwei weiblichen Geschlechts“(4:11).

Der Penzberger Imam und Buchautor Benjamin Idriz ist der Ansicht, dass sich die Erbverteilung zugunsten des Mannes nur im historischen Kontext zu bewerten sei. Denn sie wurde vorerst in eine patriarchalische Umgebung offenbart, wo traditionell den Frauen gar kein Anteil vom Erbe zugesprochen wurde.

Idriz schreibt in seinem vielbeachteten Buch: „Der Mann sollte den doppelten Anteil vom Erbe bekommen, weil er alle Kosten der Familie zu tragen hatte, und die Frau nur den einfachen, weil sie nicht zur Versorgung verpflichtet war“.

Der Imam warnt jedoch besorgt, aus dieser Bestimmung eine Regel für alle Zeiten zu schlussfolgern: „In einer Familie jedoch, in der die Frau und der Mann alle Kosten gleichermaßen zu tragen haben, sollte das Erbe selbstverständlich in gleiche Anteile geteilt werden. Denn es gilt das Ziel, dass niemand benachteiligt wird und Gerechtigkeit herrscht. Der Zweck der Erbverteilungsbestimmungen der Verse 4/11 und 4/12 wird mit einem einzigen Satz erklärt, der sich in Vers 4/12 befindet: ghayra mudarr- „Niemandem darf ein Schaden zugefügt werden“. Das Hauptkriterium bei der Erbverteilung ist also, das Erbe gerecht zu verteilen, ohne eine Partei zu schädigen. Die im Koran vorgeschlagene Art der Erbverteilung ist keine für alle Zeiten und alle Länder gültige Formel; was aber für alle Zeiten und alle Länder Gültigkeit hat, ist die Forderung, dass niemand durch die Verteilung der Erbschaft benachteiligt werden darf“ (Grüss Gott Herr Imam, S. 144-145).

Im Jahre 1999 erschien im Verlag Al-Fihrist Publisher das Buch „Grandeur et Decadence de l´ Islam“ (Größe und Niedergang des Islam) von dem Französischen Philosophen Roger Garaudy.

Darin behandelt Garaudy sämtliche Themen im Koran, wie sie heute verstanden werden können und sollen. Ein Beispiel dazu  ist die folgende Sure 111 im Koran:

Im Namen Gottes, des Allerbarmers, des Barmherzigen! Zugrunde gehen sollen die Hände Abu Lahabs! Und (auch er selbst) soll zugrunde gehen! Nichts soll ihm sein Vermögen nützen, noch das, was er erworben hat; er wird in einem flammenden Feuer brennen, und seine Frau wird das Brennholz tragen. Um ihren Hals ist ein Strick aus Palmfasern“ (Koran-Sure 111).

Garaudy deutet die Sure 111 für das heutige Verständnis folgendermaßen: „Ist der Koran nicht auf eine wunderbare Art mit der Geschichte verwurzelt, wenn in Sure 111 Die Palmfasern die persönlichen Feinde des Propheten Muhammad namentlich erwähnt und den Höllenflammen geweiht werden: sein Onkel Abu Lahab und dessen Frau? Und müssen wir aus dieser Sure nur die in der Geschichte des Tribuns situierte Anekdote zurückbehalten oder ihren Sinn, die Ablehnung einer Anhäufung von Reichtümern ohne menschliches Ziel und eines blinden Wachstums, das heute das der multinationalen Unternehmen und der Nationen ist?“.

Wenn uns der Koran sagt: „Und Gott hat euch eure Häuser als Ruheplatz gegeben. Und Er gab euch die Häute des Viehs zum Zeltbau, leicht zu handhaben am Tage eures Aufbruchs und am Tag eures Lagerns (16:80)…“, dann ist klar, dass er zu einem bestimmten Zeitpunkt in der Geschichte eine nomadische Gemeinschaft anspricht, um ihnen eine ewige Wahrheit mitzuteilen: die der Fürsorge und der Anwesenheit Gottes gegen die Anmaßung des Menschen, sich selbst  zu genügen, wie sie ein Prometheus, die Pharaonen oder Faust zeigen. Es ist eine Erinnerung an die Transzendenz  gegenüber der Selbstgefälligkeit, die für alle eingebildeten Baumeister; die der Pyramiden, der Atomsprengköpfe oder der Wolkenkratzer ewigen Wert hat (Roger Garaudy, Scharia- Eine DII-Publikation, S. 10).

Nach dem Koranwissenschaftler Mustafa Öztürk, ist der Koran nur dann im vollen Umfang für die Zeitgenossen verständlich, wenn der historische Kontext samt seiner Bandbreite mit berücksichtigt wird. Der Koran enthält Geschichtliches und Übergeschichtliches. Übergeschichtlich ist das in allen Offenbarungsreligionen als zentral Verkündete: „der Monotheismus, Jenseitsglaube und die Tugendlehre“ (siehe hierzu: Kuran ve Tefsir Kültürümüz, S. 20-33).

Der inzwischen verstorbene Denker Roger Garaudy (gest. 2012), betont nachdrücklich, dass ein historisches Textverständnis nichts an seiner Aktualität verliert. Im Gegenteil, die Heilige Schrift der Muslime ist im jeden Zeitalter relevant: „Der Koran offenbart uns ewige Werte: Er offenbart sie uns durch eine bestimmte Antwort zur Lösung von bestimmten historischen Problemen. Dieser historische Charakter der göttlichen Offenbarung, d.h. der Antwort, die sie auf die Probleme einer besonderen Gesellschaft zu einem bestimmten Zeitpunkt ihrer Geschichte gibt, ist im Koran offensichtlich“ (Roger Garaudy, Größe und Niedergang des Islam).

Empfehlenswerte Literatur zum Thema:

° Dine Yeni Yaklasimlar, Ilhami Güler

° Kuran ve Tefsir Kültürümüz, Mustafa Öztürk

° Bana Dinden Bahset, besonders S. 187-193 von Ihsan Eliacik

° Grüss Gott, Herr Imam, Benjamin Idriz

° Yasayan Islam, Roger Garaudy

Weitere Empfehlung im Web:  http://tavhid.de/?p=1126

 

ÜBER DEN AUTOR

Ecevit Polat

16 Kommentare

  • Selam abi. Sehr toller Artikel ellerine saglik. Obwohl sich die unten aufgeführten Quellen im Buchregal befinden, hätte ich solch einen Text nicht sogut hinbekommen wie du es verfasst hast. Inhalt ist bombe. Du hast dir die besten Beispiele für den Beweis der Historizität des Textes hervorgehoben. Möge Gott dich für diese Arbeit reichlich belohnen.

    Wslm 😉

  • Sehr guter Text! Allerdings würde ich bei Garaudy mehr als nur Bauchschmerzen bekommen!
    Ja, ein Querdenker mit guten Werken, aber leider auch ein wegen Rassismus und Holocaustleugnung verurtelter Philosoph. Dadurch dürfte er eher zu den „verbrannten“ Quellen gehören. Vielleicht hast Du ja noch andere Quellen, würde mich freuen…

  • Nach seinen eigenen Aussagen hat Garaudy den Holocaust nie geleugnet (siehe hierzu sein Buch „Le Mythe Americain“ S. 115-131). Er wurde zwar in Frankreich verurteilt, nur konnte man ihm bis heute nicht explizit nachweisen, in welchem Schriftdokument er den Holocaust geleugnet habe. Garaudy wurde durch zionistische Mediengruppen heftig angegriffen, als er sein anti-zionistischen Buch „Les Mythes Fondateurs de la Politique Israelienne“ veröffentlichte. Ich habe sämtliche Werke von ihm gelesen, nirgends ein Hinweis auf die Beschuldigung eines Holocaust-Leugners. Wenn ich auf so eine Passage in irgendeinem Werk von ihm stoßen würde, würde ich nie wieder ein Werk von ihm lesen. Doch konnte mir das bis heute niemand nachweisen.

  • Das von dir angesprochene Thema „Historizität des Korans“ ist ein wichtiges Thema, das zuvor jedoch definiert werden sollte. Allgemein wird darunter verstanden, dass der Koran sowohl inhaltlich, wie auch in seiner Struktur, das Produkt seiner Entstehungszeit ist.
    Das es so ist, braucht eigentlich keiner ausgiebigen Beweisführung. Es sollte hier nur der Hinweis genügen, dass im Koran viele Verse gibt, die mit „sie fragen dich“ anfangen und den Gesandten um die Beantwortung (Lösung) einer Angelegenheit bitten. Diese Fragen werden dann durch eine entsprechende Offenbarung beantwortet. Somit bestimmt das Problem des historischen Hörers und seine Frage, was sich später als „Koran“ etabliert.
    Trotz der „Banalität“ dieses Faktums ergeben sich Problemfelder, die meiner Ansicht noch nicht zufriedenstellend von den Anhängern der „Historizität des Korans“ beantwortet sind (oder sie sind schon beantwortet und ich kenne sie nicht (: ). Diese sind u. a. :
    1. In mehreren Versen im Koran wird erwähnt, dass der Koran in einer Urschrift (umm al-kitab), auf einer geschützten Tafel (lawh al-mahfuz) oder geschütztem Buch (kitab al-maknun) aufbewahrt wird. Gegner der Historizität des Korans verstehen darunter eine „prähistorische“ Existenz des Korans und benutzen es als Beleg dafür, dass der Koran nicht das Produkt einer bestimmten historischen Periode ist.
    2. Die Anhänger der „Historizität“ sind der Ansicht, dass die konkreten rechts-praktischen Bestimmungen von den Bedingungen ihrer Zeit diktiert wurden und insofern ständig abhängig von den dahinter stehenden Prinzipien auf den „aktuellen“ Stand gebracht werden müssen. Außen vor bleiben die „Glaubensinhalte“. Diese künstliche Trennung von Rechtspraxis (muamalat) und Glauben (akida) ist auch kritisch zu betrachten. Sind denn die Glaubensinhalte unabhängig von einer bestimmten Historie, beispielsweise der Jenseitsglaube oder der Glaube an die Engel.
    3. Auffallend ist zudem, dass die Anhänger der Historizität immer vergessen, dass sie als Leser und Interpreten des Korans selber „historische“ Personen sind. Während sie den Koran relativieren, indem sie ihn von Geschichte abhängig machen, „verabsolutieren“ sie ihr eigenes „Sein“. Durch eine „historische“ Interpretation des Korans wird die „Moderne“ aus dem Koran „reproduziert“ (siehe Einehe zugunsten der Mehrehe) und somit wird der Koran für ihre eigenen Ziele (oder sollte man „hawa“ sagen) instrumentalisiert. Wenn die Ergebnisse der Koranforschung schon von der Moderne vordiktiert werden, warum sollte man dennoch „historische“ Koranforschung betreiben?
    Ich glaube so viel reicht. Auf eine produktive Diskussion freue ich mich.

  • Selam Bruder Nuri.

    Du schriebst: „Es sollte hier nur der Hinweis genügen, dass im Koran viele Verse gibt, die mit “sie fragen dich” anfangen und den Gesandten um die Beantwortung (Lösung) einer Angelegenheit bitten“.

    Aber wir müssen nicht nur zwischen historisch und universell unterscheiden, sondern auch zwischen historisch, die gleichermaßen auch universell gelten. Diese sind zwar im Kontext gesprochen, enthalten jedoch eine zeitlose Botschaft wie z.B. in Situationen der Selbstverteidigung, Körperstrafen (nicht wörtlich anzuwenden), Verkürzungen der Gebete auf Reisen etc. daher ist es von Wichtigkeit, das Thema ausführlich zubehandeln wie es Ecevit getan hat.

    „“1. In mehreren Versen im Koran wird erwähnt, dass der Koran in einer Urschrift (umm al-kitab), auf einer geschützten Tafel (lawh al-mahfuz) oder geschütztem Buch (kitab al-maknun) aufbewahrt wird““.

    Das stimmt nicht so genau denn bei diesem Thema gibt es keine konsens, ob die Wohlverwahrte Tafel (lewhi Mahfuz) es sich um den Koran oder um die Thora handelt. Ikrama, Mugahid und Qatada bezeichneten diese als Thora. Siehe hierzu auch Prof. Dr. Süleyman Ates Kur’an Ansiklopedisi Band 12 S. 470-478.
    Der Begriff Umm-al Kitap (Mutterbuch) in 13:87 versteht Süleyman Ates, dass dieses Mutterbuch nichts Materielles darstellt, also nicht wirklich ein Buch ist, sondern einen Teil des Wissens Gottes symbolisiert.

    „“3. Auffallend ist zudem, dass die Anhänger der Historizität immer vergessen, dass sie als Leser und Interpreten des Korans selber “historische” Personen sind“.

    Wie kommst du darauf? wieso sollten die es vergessen? Kannst du einen Beispiel Gelehrten nennen, der sich so verhält? Gerade diese Herangehensweise sorgt für mehr Verständnis des Korans. Selbst Ibn Abbas hatte eineige Verse nur historisch betrachtet wie z.B. der vers 58 der Sure 24. Der Überlieferung zufolge kamen die leute zu Ibn Abbas und wollten Rat, da niemand mehr nach diesen Umständen gelebt hatte. Ibn Abbas antwortete: “Damals gab es in den Häusern der Menschen keine Tür oder Abtrennung, die die Menschen beim Eintreten hätte hindern können”. (Siehe hierzu Ibn el-Arabi, Ahkam al-Kur’an, Bd. 3, 414; Al-Qurtubi al-Gami Bd. 12, 199).

  • Selam Baycan,
    mit meinem Beitrag wollte ich auf einige Probleme i. Z. mit der Historizität des Koran hinweisen, die meiner Ansicht nach nicht zufriedenstellend gelöst worden sind. Aus deinen Einwänden geht hervor, dass du dir die Mühe gemacht hast, dich mit diesen Problemen zu beschäftigen. Dafür möchte ich dir danken, jedoch auch gleichzeitig anmerken, dass ich den Eindruck habe, dass du auf einige Einwände geantwortet hast, ohne meine Absicht zu verstehen.
    Beim ersten Punkt meiner Einwände ging es darum, dass es schon einige Verse gibt (56/77-80, 85/21-22, 43/4, 10/37), die auf eine vorzeitliche, also prähistorische Existenz des Koran hinweisen und gegen die Historizität des Koran sprechen.
    Du schreibst, dass es sich bei der lawh al-mahfuz um den Koran oder die Thora handeln kann. Wenn du die Verse liest, wirst du merken, dass es sich dabei um den „Aufbewahrunsort“ des Koran handelt, also nicht um den Koran selbst. Hier die dazugehörigen Verse:
    85/21 bal huwa qurˈānun maǧīdun (Nein! Es ist ein preiswürdiger Koran)
    22 fī lawḥin maḥfūẓin (auf einer wohlverwahrten Tafel)
    (Anzumerken wäre, dass Mugahid lawh al-mahfuz mit umm al-kitab (Mutter der Schrift interpretiert –> siehe Tabari)
    Außerdem beinahe im gleichen Wortlaut sind die folgenden Verse, die darauf hinweisen, dass es der Koran ist, der in einer wohlverwahrten Schrift war (ist):
    56/77 ˈinnahū la-qurˈānun karīmun (Es ist ein vortrefflicher Koran,)
    78 fī kitābin maknūnin (in einer wohlverwahrten Schrift)

    Wenn du Süleyman Ates zitierst, solltest du auch angeben aus welchen tafsir-Werken S. A. selbst zitiert. Ich habe in den gängigen älteren Korankommentaren (Tabari, Mawardi, Razi, Kurtubi usw.) nachgeschaut und nirgendwo gefunden, dass die von Ates genannten Autoritäten lawh al-mahfuz mit der Thora identifizieren.

    Beim dritten Einwand kritisierst du, dass ich keine konkreten Namen nenne, die als Interpreten des Korans ihre eigene Historizität vernachlässigen und die Moderne aus dem Koran herauslesen bzw. einen modernen Koran produzieren.
    Ich glaube diesen Punkt muss ich etwas erläutern: damit ist gemeint, dass der Leser und Interpret des Korans, also auch die zeitgenössischen Koran-Leser, den Koran zu einer bestimmten Zeit, nämmlich in ihrer eigenen Zeit lesen und somit selbst „historische“ Personen sind. Deshalb sollten sie sich darüber bewusst sein und ihre Interpretation nicht objektivieren oder für absolut halten.
    Jedoch wird anscheinend dies von vielen vergessen. Eindruckvolles Beispiel ist hierfür der Pakistani Fazlurrahman, oder Yasar Nuri Öztürk, Edip Yüksel (wobei ich sagen muss, dass die beiden letzten in ihrer Tiefe nicht mit Fazlurrahman zu vergleichen sind). Der Koran, insbesondere die Verse mit rechtlich-sozialen Inhalt werden so gelesen, dass sie dem „Zeitgeist“ immer angepasst werden, wo doch der „Zeitgeist“ selbst nur Ausdruck einer bestimmte Historie ist. Ein eindruckvolles Beispiel dafür ist, dass nach deren Lesung die Mehrehe im Sinne des Koran aufgehoben gehört und der Koran eigentlich die Einehe als Ziel hat. Hier wird die moderne Norm, also die Einehe, aus dem Koran abgeleitet und gesagt, dass die Mehrehe nur eine Praxis aus der Zeit des Propheten ist, den der Koran eigentlich überwinden wollte. Die zeitgenössische Norm (Einehe) wird somit als Norm gesetzt und vergessen, dass die Einehe auch nur eine ganz bestimmte historisch-kulturell bedingte Eheform ist.
    Ich hoffe, dass ich etwas aufklären konnte. Ich argumentiere eigentlich nicht gegen die Historizität des Koran, sonndern gegen die „Blauäugigkeit“, die einige Vertreter zu Tage legen.
    Als Lektüre würde ich empfehlen:
    Mustafa Öztürk: Kuran, Tefsir ve Usul üzerine: Evrensellik Algisi ve Kuran (S. 65 – 99)
    Mehmet Pacaci: Cagdas dönemde Kur’an’a ve Tefsire ne oldu? (ayni isimde makale, S. 45), Kur’an’in neligine dair (S. 147)

  • selam Lieber Bruder Nuri.

    Danke dir für deine Antwort, dies ermöglicht mir, mich in diesem Thema zu vertiefen. Ich werde etwas genauer aus den Quellen entnehmen, und dir auch die entsprechende Quelle von Mugahid, Ikrama und Qatada liefern.

    In Sure 80 Vers 13 heißt es: „Er (der Koran) ist bei Gott auf in Ehren gehaltenen Blättern, (hoch) emporgehoben und (von jeder Befleckung) rein sind, in den Händen von Schreibern…“

    Nach Ansicht von Süleyman Ates werden die Begriffe suhuf mukarrama (in Ehren gehaltene Blätter), Wohlverwahrte Tafel (lawh Mahfuz), und wohlverwahrte Schrift (kitab maknun) vom Koran synonymisch gebraucht und bezeichnen die Tafeln und Blätter der Thora, die dem Moses gegeben und von den Schriftgelehrten der Israeliten aufbewahrt worden ist. Süleyman Ates weist in seiner 30 bändigen Koranenzyklopädie in Band 12, S. 470-478 darauf hin, dass Ikrama, Mugahid und Qatada den Begriff „Kitab maknun“ als die Thora und das Evangelium identifiziert hätten. Folgende Quelle gibt er in seiner Enzyklopädie an:
    Kurtubi, el-Cami’li Ahkami’l-Kur’an: 17/224-225
    Kurtubi, el-Cami’li Ahkami’l-Kur’an: 9/118
    Ibn Kathir, Tafsir 2/499.

    Süleyman Ates geht in seiner Enzyklopädie einen Schritt weiter und ist der Meinung, das Lawh mahfuz und Kitab maknun das gleiche bedeuten. Laut Ates befindet sich Lawh Mahfuz nicht oberhalb des siebten Himmels, sondern auf der Erde und die „Wohlverwahrte Tafel“ (Thora) bezeichne, die von den Gelehrten der Israeliten gut aufbewahrt worden sei. Siehe in seinem Tafsir 6/442-444; 9/231-234,238; 10/401-404; 11/352.

    Abu Zaid sagt etwas ganz anderes. Er sagt in seinem Buch „Gottes Menschenwort“, dass Lawh Mahfuz wie der Thron metaphorisch gemeint sei. Ich jedoch teile die Sicht von Süleyman Ates.

    „“Deshalb sollten sie sich darüber bewusst sein und ihre Interpretation nicht objektivieren oder für absolut halten.““. <- Ich denke das tun sie auch nicht. Ich gehe davon aus dass du es nur vermutest, weil konkrete Beipsiele konntest du mir noch nicht liefern :)).

    ""Ein eindruckvolles Beispiel dafür ist, dass nach deren Lesung die Mehrehe im Sinne des Koran aufgehoben gehört und der Koran eigentlich die Einehe als Ziel hat."" >Euch wird es niemals möglich sein, in Gerechtigkeit gegen eure Ehefrauen zu verfahren, wie sehr ihr es euch auch wünschen möchtet.<< . Ihsan Eliacik z.B. sagt in seinem Tafsir, dass Gott etwas Ungerechtes nicht legitimieren würde, und daraus folgert, dass nur eine Ehe erlaubt sei. Ich denke eher, dass sie die möglichkeit der Interpretationen gebrauchen und den Geist des Korans mitberücksichtigen.

    Vielen Dank Bruder Nuri für deine empfohlenen Quellen. Die werde ich mir bestimmt besorgen :))

    wslm..

  • Selam Nuri,

    danke erst einmal, für die eindrucksvollen Hinweise.

    Du schriebst: “ Ein eindruckvolles Beispiel dafür ist, dass nach deren Lesung die Mehrehe im Sinne des Koran aufgehoben gehört und der Koran eigentlich die Einehe als Ziel hat. Hier wird die moderne Norm, also die Einehe, aus dem Koran abgeleitet und gesagt, dass die Mehrehe nur eine Praxis aus der Zeit des Propheten ist, den der Koran eigentlich überwinden wollte. Die zeitgenössische Norm (Einehe) wird somit als Norm gesetzt und vergessen, dass die Einehe auch nur eine ganz bestimmte historisch-kulturell bedingte Eheform ist“.

    Ob die Mehrehe als Institution, tatsächlich nur eine lebendige Erscheinungsform nur das 7. Jahrhundert betraf, kann unter Anlehnung der schriftlichen Textquellen etwas näher erläutert werden.

    Zum Koranvers 4:3: „Und wenn ihr fürchtet, in Sachen der Waisen nicht recht zu tun, dann heiratet, was euch an Frauen gut ansteht, (ein jeder) zwei, drei oder vier. Und wenn ihr fürchtet, nicht gerecht zu behandeln, dann (nur) eine, oder was ihr besitzt! So könnt ihr am ehesten vermeiden, unrecht zu tun“

    Interessant ist dabei, dass dieser Vers kurz nach der Schlacht von Uhud offenbart wurde. In diesem Krieg starben 70 muslimische Männer im Gefecht mit den Mekkanern, die größtenteils Kinder und Frauen hinterließen (Maududi, Tefhimul Kuran, Bd. 1, S. 321).

    Nach den damaligen Zuständen vor ca. 1500 Jahren waren Witwen mit ihren Kindern dem Elend, wie z.B. der Armut ausgesetzt. Frauen hatten in der arabisch-patriarchalischen Gesellschaft nicht die Möglichkeit gehabt, eine Arbeit oder einer sonstigen Beschäftigung nachzugehen, denn dass war ausschließlich eine Sache nur für die Männer gewesen. Ein Ehemann mit Pflichtbewusstsein, entsprach dem heutigen Sozialstaat mit der Fürsorge für seine Familie.

    Obwohl der Koran den Männern ausdrücklich die Erlaubnis erteilt, bis zu vier Frauen zu ehelichen, verbot der Prophet seinen Schwiegersohn eine zweite Heirat neben Fatima.
    Als einmal Ali ibn Abu Talib eine zweite Frau neben Fatima heiraten wollte, sagte der Prophet (s) zu ihm: „Ich erlaube dir nicht, ich erlaube dir nicht, ich erlaube dir nicht sie zu heiraten! Erst wenn Ali sich von meiner Tochter scheiden lässt, kann er die andere heiraten. Fatima ist ein Teil von mir. Wer sie traurig macht, macht auch mich zugleich traurig. Wer sie verletzt, verletzt auch mich!“ (Hadith Sammlung: ibn Mace, Nikah, 56)

    Nach dem Vers:
    „Und ihr könnt zwischen den Frauen keine Gerechtigkeit ausüben, so sehr ihr es auch wünschen mögt.“ (Koran, 4:129)

    Kann davon ausgegangen werden, dass dem Koran eine Tendenz zur Monogamie innewohnt.

    Der wichtige Hinweis von Dir: „Der Koran, insbesondere die Verse mit rechtlich-sozialen Inhalt werden so gelesen, dass sie dem “Zeitgeist” immer angepasst werden, wo doch der “Zeitgeist” selbst nur Ausdruck einer bestimmte Historie ist“.

    Ein Beispiel wäre dazu die Sklaverei. In keinem Koranvers und Aussprüche des Propheten wird die Sklaverei explizit als solches verboten. Die Intention einiger Koranverse deuten jedoch daraufhin, dass die Institution der Sklaverei keine ideale Form für eine Gesellschaft entspricht. „Und was lehrt dich wissen, was das Hindernis ist? (Es sind:) das Befreien eines Nackens (eines Sklaven)“ (Koran: 90:12-13).

    Die Sklaverei kann in die zeitgenössische Gesellschaft nicht einfach wieder eingeführt werden, nur weil sie im Koran erwähnt wird. Hier ist die Frage, welche Absicht der Koran in dieser Angelegenheit hervorhebt. Neben den Primärquellen Koran, Sunna und Idschma, kann die Methodologie von Abu Hanifa uns in wesentlichen Punkten weiterhelfen. Wie z. B. die Einführung und von ihm häufig benutzten Werkzeug zur Rechtsfindung wie: „istihsan“ (die rechtliche Präferenz eines Gelehrten unter Berücksichtigung des öffentlichen Interesses) und der Einbeziehung des Brauchtums (urf) in die rechtliche Ausarbeitung: „ḫuḏi l-afwa wa- mur bi-l- urfi wa-ariḍ ani l-ǧāhilīn“ „Du sollst Nachsicht üben und das dem gesunden Menschenverstand Verständliche gebieten und dich nicht um die Törichten kümmern“ (Übersetzung nach Mustafa Maher, Kairo) (Koran, 7:199). Die Herangehensweise von Abu Hanifa, Berücksichtigt gleichzeitig die Umgebung, die Situation, die Kultur und natürlich die gesellschaftlichen und menschlichen Interessen. Folglich sind die Texte weiterhin der vorrangige Bezugsrahmen, doch der menschliche und gesellschaftliche Kontext ist bei der rechtlichen Ausarbeitung zu berücksichtigen.

  • Selamün aleyküm,

    bei meinen Ausführungen wollte ich nicht die Mehrehe behandeln. Es ging mir nur darum zu zeigen, dass im Namen der Historizität des Korans eigentlich der Koran nicht in seinem eigentlichen historischen Hintergrund gelesen wird, sondern der historische Hintergrund so konstruiert wird, dass am Ende die Moderne raus kommt. Dennoch zu den Einzelheiten:

    „Zum Koranvers 4:3: “Und wenn ihr fürchtet, in Sachen der Waisen nicht recht zu tun, dann heiratet, was euch an Frauen gut ansteht, (ein jeder) zwei, drei oder vier. Und wenn ihr fürchtet, nicht gerecht zu behandeln, dann (nur) eine, oder was ihr besitzt! So könnt ihr am ehesten vermeiden, unrecht zu tun”

    Interessant ist dabei, dass dieser Vers kurz nach der Schlacht von Uhud offenbart wurde. In diesem Krieg starben 70 muslimische Männer im Gefecht mit den Mekkanern, die größtenteils Kinder und Frauen hinterließen (Maududi, Tefhimul Kuran, Bd. 1, S. 321).“

    Die Mehrehe gab es schon vor dieser Schlacht und vor dem erwähnten Vers. Die Regelungen betreffen hier die Ehe mit Waisenmädchen.

    „Obwohl der Koran den Männern ausdrücklich die Erlaubnis erteilt, bis zu vier Frauen zu ehelichen, verbot der Prophet seinen Schwiegersohn eine zweite Heirat neben Fatima.“

    Das ist aber paradox. Der Prophet genehmigt sich selbst mehrere Frauen und verbietet das Ali, trotz ausdrücklicher „Erlaubnis des Koran“. (Bitte lass diesen Satz die Frauen nicht lesen, aber somit habe ich auch jetzt etwas gegen dich in der Hand (: )

    „Als einmal Ali ibn Abu Talib eine zweite Frau neben Fatima heiraten wollte, sagte der Prophet (s) zu ihm: „Ich erlaube dir nicht, ich erlaube dir nicht, ich erlaube dir nicht sie zu heiraten! Erst wenn Ali sich von meiner Tochter scheiden lässt, kann er die andere heiraten. Fatima ist ein Teil von mir. Wer sie traurig macht, macht auch mich zugleich traurig. Wer sie verletzt, verletzt auch mich!“ (Hadith Sammlung: ibn Mace, Nikah, 56)“

    Dass der Gottesgesandter Ali prinzipiell die Mehrehe verboten hat, kann nicht stehen gelassen werden. Bitte schau dir die Überlieferung in Sahih al-Buhari an. Ali wollte die Tochter von Abu Jahil heiraten und der Gesandte verbot ihm das, in dem er ihm sagte, dass die Tochter des Gesandten und die Tochter des Gottesfeindes nicht gleichzeitig im Ehebund eines Mannes stehen können. Der Gesandte verbot Ali also nicht die Mehrehe, sondern die Ehe mit einer bestimmten Frau.
    „Nach dem Vers:
    „Und ihr könnt zwischen den Frauen keine Gerechtigkeit ausüben, so sehr ihr es auch wünschen mögt.“ (Koran, 4:129) Kann davon ausgegangen werden, dass dem Koran eine Tendenz zur Monogamie innewohnt.“
    Bitte im Zusammenhang lesen. Die Verse behandeln nicht den allgemeinen Umgang in einer Vielehe. Es geht um die Behandlung von Frauen in einer Vielehe, die aufgrund ihres Alters oder physische Merkmale nicht mehr attraktiv für ihre Ehemänner sind. In diesen Fällen setzt sich der Koran für diese Frauen ein und verlangt, dass eine friedliche Regelung gefunden werden soll, dass diese Frauen nicht mehr von ihren Ehemännern vollständig vernachlässigt werden.
    128 wa-ˈini mraˈatun ḫāfat min baʿlihā nušūzan ˈaw ˈiʿrāḍan fa-lā ǧunāḥa ʿalayhimā ˈan yuṣliḥā baynahumā ṣulḥan wa-ṣ-ṣulḥu ḫayrun wa-ˈuḥḍirati l-ˈanfusu š-šuḥḥa wa-ˈin tuḥsinū wa-tattaqū fa-ˈinna llāha kāna bi-mā taʿmalūna ḫabīran
    129 wa-lan tastaṭīʿū ˈan taʿdilū bayna n-nisāˈi wa-law ḥaraṣtum fa-lā tamīlū kulla l-mayli fa-taḏarūhā ka-l-muʿallaqati wa-ˈin tuṣliḥū wa-tattaqū fa-ˈinna llāha kāna ġafūran raḥīman
    130 wa-ˈin yatafarraqā yuġni llāhu kullan min saʿatihī wa-kāna llāhu wāsiʿan ḥakīman

    4/128 Und wenn eine Frau von ihrem Mann Vernachlässigung oder Abkehr befürchtet, ist es für die beiden keine Sünde, sich friedlich zu einigen. Es ist besser, sich friedlich zu einigen (als weiter im Unfrieden zu leben). Die Menschen sind (nun einmal) auf Neid eingestellt. Aber wenn ihr rechtschaffen und Gottesfürchtig seid (ist es besser für euch). Allah ist wohl darüber unterrichtet, was ihr tut.
    129 Und ihr werdet die Frauen (die ihr zu gleicher Zeit als Ehefrauen habt) nicht (wirklich) gerecht behandeln können, ihr mögt noch so sehr darauf aus sein. Aber vernachlässigt nicht (eine der Frauen) völlig, so dass ihr sie gleichsam in der Schwebe lässt! Und wenn ihr euch einigt und Gottesfürchtig seid (ist es gut). Allah ist barmherzig und bereit zu vergeben.
    130 Und wenn die beiden (falls keine Einigung mehr möglich ist) sich trennen, wird Allah jeden (von beiden) aus der Fülle seiner (allumfassenden) Macht (min sa`atihie) (für den Verlust) entschädigen. Allah umfaßt (alles) und ist weise.

    Eine Tendenz bedeutet ja doch, dass der Koran implizit ein Entwicklungsziel anvisiert. Die Frage ist aber, was dieses Ziel ist und wer definiert dieses Endziel. Seit dem die Muslime unter der kulturellen Hegemonie des Westens stehen, sind diese Endziele identisch mit der Kultur des Westens. Die Muslime waren dann 1300 Jahre dieses Endziels sich nicht bewusst.

  • Selam Bruder Nuri,

    du schriebst: „Dass der Gottesgesandter Ali prinzipiell die Mehrehe verboten hat, kann nicht stehen gelassen werden. Bitte schau dir die Überlieferung in Sahih al-Buhari an. Ali wollte die Tochter von Abu Jahil heiraten und der Gesandte verbot ihm das, in dem er ihm sagte, dass die Tochter des Gesandten und die Tochter des Gottesfeindes nicht gleichzeitig im Ehebund eines Mannes stehen können. Der Gesandte verbot Ali also nicht die Mehrehe, sondern die Ehe mit einer bestimmten Frau“.

    Wie könnte Ali beabsichtigt haben, ausgerechnet die Tochter von Abu Jahil zu ehelichen? In der Überlieferung geht es dem Propheten nicht primär um sich selbst, sondern die Sorge, dass die Tochter ihren Ehemann mit einer anderen Frau in Zukunft teilen muss. Im Vordergrund steht die Tochter des Propheten, und nicht die Beziehung zu dem Feind Gottes „Abu Jahil“. Dies geht aus dem Wortlaut der Überlieferung her: „Als einmal Ali ibn Abu Talib eine zweite Frau neben Fatima heiraten wollte, sagte der Prophet (s) zu ihm: „Ich erlaube dir nicht, ich erlaube dir nicht, ich erlaube dir nicht sie zu heiraten! Erst wenn Ali sich von meiner Tochter scheiden lässt, kann er die andere heiraten. Fatima ist ein Teil von mir. Wer sie traurig macht, macht auch mich zugleich traurig. Wer sie verletzt, verletzt auch mich!“ (Hadith Sammlung: ibn Mace, Nikah, 56)

    Hier geht es um die Gefühle von Fatima, nicht um die Einstellung zu Abu Jahil: „Wer sie (Fatima) verletzt, verletzt auch mich!“ so der Prophet.

    Kommen wir zu dem Koranvers 4:3: „Und wenn ihr fürchtet, nicht gerecht zu behandeln, dann (nur) eine, oder was ihr besitzt! So könnt ihr am ehesten vermeiden, unrecht zu tun”. In der gleichen Sure wird dieser Vers vom Koran selbst kommentiert: „Und ihr könnt zwischen den Frauen keine Gerechtigkeit ausüben, so sehr ihr es auch wünschen mögt.“ (Koran, 4:129) Deshalb kann davon ausgegangen werden, dass es zum scheitern verurteilt ist, gleichzeitig und gerecht, zu mehreren Frauen in der Ehe zu sein. Aus diesem Grund ist es von Bedeutung, dass der Koran vorschlägt, eine zu ehelichen um Ungerechtigkeit in der Ehe zu vermeiden :“ „Und wenn ihr fürchtet, nicht gerecht zu behandeln, dann (nur) eine, oder was ihr besitzt! So könnt ihr am ehesten vermeiden, unrecht zu tun“.

    Es ist keinem Mann in der Welt möglich, verschiedene Frauen (nicht nur in materieller Hinsicht) gerecht zu behandeln. Der Koran warnt aus diesem Grund die Männer : „Und ihr könnt zwischen den Frauen keine Gerechtigkeit ausüben, so sehr ihr es auch wünschen mögt.“ (Koran, 4:129)

  • Selam. Wenn im Vers 4:129 davon die Rede ist, dass keine Gerechtigkeit in einer Mehrehe herrschen kann, dann ist das eher der Grund dafür gewesen, dass der Prophet eine Zweite Frau Alis nicht akzeptiert hat. Weshalb der Prophet jedoch mehrere Ehefrauen hatte sind in tavhid.de und antikezukunft.de extra behandelt worden. Ich denke dass bei dieser Überlieferung bzgl. der Tochter abu jahils das Ziel war, eine schlechte Propaganda über Ali zu verbreiten. Dafür gibt es genügend Beispiele auf die ich jetzt ersteinmal aus zeitlichen Gründen nicht eingehen kann.

    Dazu könntest du noch bitte auf mein letztes Kommentar eingehen :))

    Wslm.

  • Slm Eco

    “Hiernach erhalten die männlichen Erben doppelt so viel an Anteil wie der von zwei Frauen. Muss dies nun für alle Zeiten so gelten? Unmissverständlich geht diese Tatsachenfeststellung aus dem folgenden Koranvers hervor: „Auf eines männlichen Geschlechts kommt (bei der Erbteilung) gleichviel wie auf zwei weiblichen Geschlechts“(4:11).“

    Das die Maenner mehr bekommen als die Frauen wird auch im Koran an eine Bedingung geknüpft:

    4.34

    Die Männer stehen den Frauen in Verantwortung vor, weil Allah sie (von Natur vor diesen) ausgezeichnet hat und wegen der Ausgaben, die sie von ihrem Vermögen (als Morgengabe für die Frauen) gemacht haben.

    (Paret)

  • Slm Nuri

    “Eine Tendenz bedeutet ja doch, dass der Koran implizit ein Entwicklungsziel anvisiert. Die Frage ist aber, was dieses Ziel ist und wer definiert dieses Endziel. Seit dem die Muslime unter der kulturellen Hegemonie des Westens stehen, sind diese Endziele identisch mit der Kultur des Westens.“

    Du verkennst da was völlig – die islamische Welt wurde ab dem 5. Kalifen (Muaviye) zu seinen Gunsten der Gunsten seiner Kompatanden und zu Gunsten seiner Nachfahren zurechtgebogen – unzaehlige Aufstaende die getöteten Verwandten und Freunde des Propheten (S) zeichnen das Bild wenn du mit Kritik am İslam anfangen willst dann fang von ganz vorne an und nicht ganz am Ende dann wirst du auch finden, dass sich viele wichtige Errungenschaften des Westens sich mit den Handlungen und Weisen des Propheten und seiner Verwandten und seiner Freunde decken

  • Hier noch eine Quelle von İmami Azam Ebu Hanife:

    Der Kalif Mansur wollte mit einer zweiten Frau heiraten. Seine Frau war dagegen. Der Konflikt dauerte an. Der Kalif sagte seiner Frau:“Wem du auch zuhören willst, sag es und wir rufen ihn zu uns hör demjenigen zu und füge dich seinem Urteil.“Die Frau sagte, dass sie Ebu Hanife zuhören wollte.
    İmamı Azam wurde zum Palast des Kalifen berufen. Mansur fragte (Ebu Hanife) mit wievielen Frauen ein Moslem heiraten durfte.

    Ebu Hanife antwortete: “mit 4 Frauen“

    und fügte sofort zu: “Gott hat dieser Erlaubnis die Bedingung gestellt, dass man den Frauen gegenüber vollkommen gerecht sein muss und wenn dies nicht möglich ist befiehlt er mit einer zufrieden zu sein. Was uns angeht ist, dass wir Gottes bevorzugte Meinung befolgen und mit einer Frau auskommen

    (Allah bu izni, kadınlar arasında tam adaleti sağlama şartına bağlamış, bu mümkün olmazsa bir tane ile yetinmeyi emretmiştir. Bize düşen, Allahın önerdiğini edebe uyarak tek kadınla yetinmektir)

    Yasar Nuri Öztürk İmamı Azam Ebu Hanife S.70 (Heytemi, el Hayrât, 112)

  • Selam Nuri.

    Ich möchte gerne auf einen bestimmten Thema eingehen:

    Du schriebst: „Dass der Gottesgesandter Ali prinzipiell die Mehrehe verboten hat, kann nicht stehen gelassen werden. Bitte schau dir die Überlieferung in Sahih al-Buhari an. Ali wollte die Tochter von Abu Jahil heiraten und der Gesandte verbot ihm das, in dem er ihm sagte, dass die Tochter des Gesandten und die Tochter des Gottesfeindes nicht gleichzeitig im Ehebund eines Mannes stehen können. Der Gesandte verbot Ali also nicht die Mehrehe, sondern die Ehe mit einer bestimmten Frau.“

    Dass Ali die Tochter von Abu Jahil heiraten wollte, war kurz nach der Einnahme von Mekka. Es war die Zeit, ind er viele Leute in Scharen den Islam angenommen hatten. Es beweist, dass die Tochter eine Muslimin war, denn ein Muslim darf keine Götzendienerin heiraten. Wenn der Koran angeblich die Mehrehe akzeptiert, kann der Prophet sie nicht verbieten. Seine persönlichen Ansichten können nicht über das Gesetz Gottes stehen! Dieser Hadith ist stark wiedersprüchlich. Da dies der Fall ist, können wir sie nicht azeptieren und halten uns weiterhin an das Gebot der Monogamie fest.

    wslm.

    Siehe Buhari, „Fezailu ashabi’n-nebi“ 16: „Nikah“ 109

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