Ist ein Dialog der Religionen möglich?

In der globalisierten Welt nimmt die Bedeutung vom interreligiösen Dialog in nahezu fast allen Großstädten beachtlich zu. Auch im Alltag werden die Kontakte und Gespräche innerhalb der verschiedenen Religionen und Kulturen unvermeidbar als Nachbar, auf der Arbeit und in der Schule begegnet (Islam-Lexikon,  Khoury/Hagemann/Heine, S. 133-136).  Eine nicht zu unterschätzende Anzahl von Historikern und Religionswissenschaftlern, sehen ein adäquates Hindernis im Dialog in den Heiligen Schriften der Weltreligionen selbst begründet. Unter der Überschrift „Der christlich-islamische Dialog“ schrieb der Österreichische Historiker Professor Wolfdieter Bihl: „Aus einem Bibelzitat und einer Sure des Koran ergibt sich, dass ein Dialog zwischen Christentum und Islam nicht leicht sein kann.  Im Vers 10 des 2. Briefes  des Johannes heißt es: „Wenn jemand zu euch kommt und nicht diese Lehre mitbringt, dann nehmt ihn nicht in euer Haus auf, sondern verweigert ihm den Gruß! Denn wer ihm den Gruß bietet, macht sich mitschuldig an seinen bösen Taten“. In Sure 3:85 heißt es: „Wer aber eine andere Religion als den Islam (Hingabe) begehrt-sie wird nicht von ihm angenommen werden… „ (Wolfdieter Bihl, Islam, S. 201).

An dieser Stelle soll wohl angemerkt werden, dass es im Grunde nicht hilfreich ist, die Heiligen Schriften selektiv und kontextunabhängig auszulegen. Um ein ganzheitliches Bild von der Bedeutung über die Schriften zu erlangen, ist es unabdingbar, die zitierten Passagen einer historischen Rekonstruktion zu unterziehen. Andererseits rufen diverse Koranstellen die Muslime dazu auf, sich an einem aktiv-konstruktiven Dialog besonders mit den Buchreligionen  Juden und Christen zu pflegen: „Sprich: ”O Volk der Schrift (Juden und Christen), kommt herbei zu einem gleichen Wort zwischen uns und euch, dass wir nämlich Gott allein dienen und nichts neben Ihn stellen und dass nicht die einen von uns die anderen zu Herren nehmen außer Gott.” Und wenn sie sich abwenden, so sprecht: ”Bezeugt, dass wir (Ihm) ergeben sind“ (Koran 3:64).

Es ist gewiss nicht zufällig, dass der Koran die Intention wie oben im zitierten Koranvers auf das gemeinsame Anliegen abzielt, nämlich, dass nur Gott allein verehrt werden soll. Im Vordergrund sollen vor allem die Gemeinsamkeiten in einem Dialog angegangen werden. Ohne Zweifel gibt es in den monotheistischen Religionen mehr Gemeinsamkeiten als trennende Prinzipien. Der ehemalige Religionsminister von Ägypten Professor Mahmoud Zakzouk, beschreibt umgehend die nötige Voraussetzung für einen Dialog folgendermaßen: „Der interreligiöse Dialog sollte die Betrachtung der Gemeinsamkeiten der Moralsysteme der Religionen in den Mittelpunkt seiner Beratungen stellen“ […} Der interreligiöse Dialog, der auf den Gemeinsamkeiten der Religionen aufbaut, kann viele Möglichkeiten für eine Zusammenarbeit finden. Denn es gibt viele gemeinsame Probleme, die nur durch Zusammenarbeit gelöst werden können“ (Der Islam und die Fragen des Dialogs, S. 65). Ausgangspunkt für eine beständige und konstruktive Zusammenarbeit, ist ohne eine gemeinsam erarbeitete Grundhaltung nicht tragfähig. Deshalb werden fundierte Kenntnisse der Heiligen Schriften für einen intensiven Dialog vorbedingt. Der Theologe Dr. Martin Bauschke skizziert dies prägnant wie folgt: „Das bedeutet konkret etwa, Muslime müssen das Neue Testament studieren, und Christen den Koran! Wer die Heilige Schrift des anderen nicht kennt, kann keinen sinnvollen Dialog mit ihm führen“ (Jesus im Koran, S.134).

In der langjährigen Geschichte des Islam und Christentum war es ohne weiteres nicht einfach, diesen angebahnten Weg mit Dornen einfach zu überqueren. Widerstand zum Dialog gab es in allen Seiten gleichermaßen wie z. B. seitens von dem protestantischen geistlichen Professor Karl Barth. Für Barth war selbst ein Gedanke zum Dialog mit dem Islam unerträglich und unvorstellbar: „Das Christentum sollte in das Herz dieser Religionen, wie sie auch heißen mögen, vordringen und, komme was da wolle, seine Botschaft von dem einigen Gott und seinem Erbarmen für die verlorenen Menschen verkünden, ohne auch nur um Haaresbreite ihren „Dämonen“ Zugeständnisse zu machen“(zitiert nach Mensching: Der offene Tempel, S. 18).

Durchbruch für einen institutionellen Dialog, war zweifelsohne das zweite Vatikanische Konzil vom 28. Oktober 1965. In dem Dokument „Nostra Aetate“ der „Erklärung des Verhältnisses der Kirche zu nichtchristlichen Religionen“, das ursprünglich zuvor als Erklärung über das Verhältnis der Kirche zu den Juden und gegen den Antisemitismus konzipiert war, verblüffte die Weltöffentlichkeit umso mehr, dass auch Muslime mit ihrem Glauben eine besondere Stellung im Text einnahmen. So heißt es in dessen Erklärung: „Mit Hochachtung betrachtet die Kirche auch die Muslime, die den alleinigen Gott anbeten […] „Der Heilswille umfasst auch die, welche den Schöpfer anerkennen, unter ihnen besonders die Muslime, die sich zum Glauben Abrahams bekennen und mit uns den einen Gott anbeten, den barmherzigen, der den Menschen am Jüngsten Tag richten wird“. Damit hatte  sich zum ersten Mal ein Konzil positiv zum Islam bekundet, und gab den in aller Welt verstreuten Institutionen den Startschuss zum Gespräch mit den Muslimen zu suchen. (siehe hierzu: Peter Antes, der Islam im Umgang mit Judentum und Christentum, S. 149-150, in Weltmacht Islam).

Am 6. Mai 2001 ereignete sich das bislang Undenkbare –  Papst Johannes Paul der Zweite besuchte eine Moschee in Damaskus. Noch nie zuvor in der Geschichte besuchte ein Papst eine Moschee. Um ein besseres gegenseitiges Verständnis zu fördern, betonte der Papst in der Umayyadenmoschee die folgenden Sätze: „Ein besseres gegenseitiges Verständnis wird auf praktischer Ebene gewiss dazu führen, unsere beiden Religionen auf neue Art und Weise darzustellen: Nicht als Gegner, wie es in der Vergangenheit allzu oft geschehen ist, sondern als Partner für das Wohl der Menschheitsfamilie“(Islam-Lexikon,  Khoury/Hagemann/Heine, S. 134).

Der Koran verweist ausdrücklich darauf hin, dass ein aufrichtiger Dialog nur dann fruchtbar werden kann, wenn die unterschiedlichen Gesprächspartner mehr die Gemeinsamkeiten in den Vordergrund stellen: „Sprich: ”O Volk der Schrift (Juden und Christen), kommt herbei zu einem gleichen Wort zwischen uns und euch“ (3:64).

Unweigerlich lassen sich auch konkrete Leitlinien über die Art und Weise eines Dialoges im Koran ausfinden, wie sie in den folgenden Koranversen umschrieben werden:  „Und streitet nicht mit dem Volk der Schrift (Juden und Christen); es sei denn auf die beste Art und Weise. Ausgenommen davon sind jene, die ungerecht sind. Und sprecht: ”Wir glauben an das, was zu uns herabgesandt wurde und was zu euch herabgesandt wurde; und unser Gott und euer Gott ist Einer; und Ihm sind wir ergeben” (Koran 29:46).

Ferner heißt es: „Rufe zum Weg deines Herrn mit Weisheit und schöner Ermahnung auf, und streite mit ihnen auf die beste Art“ (Koran 16:125).

Es gibt keinen Zwang im Glauben“ (Koran 2:256).

Hiernach werden einige Richtlinien für einen  konstruktiven Dialog dargelegt. Diese können folgendermaßen aufgeführt werden:

° Niemand darf zu irgendwelchen Angelegenheiten im Glauben gezwungen werden.

° Es ist strengstens untersagt, andere Weltanschauungen zu diskreditieren.

° Selbst über unvermeidbare Unterschiede darf nicht gestritten werden.

° Aufgeschlossenheit ist ein unverzichtbarer Wert, ohne dessen Aneignung kein Dialog         vielversprechend sein kann.

° Dialog darf unter keinen Umständen auf Bekehrung abzielen.

° Respekt und Anstand als oberste Maxime walten lassen.

Auch darf keine Religion diffamiert, geschweige denn aus der Gemeinschaft ausgeschlossen werden. In einem Koranvers werden Muslime dazu ermutigt, an gemeinsamen Tischgemeinschaften mit Juden und Christen teilzunehmen: „Heute sind euch alle guten Dinge erlaubt. Und die Speise derer, denen die Schrift (Juden und Christen) gegeben wurde, ist euch erlaubt, wie auch eure Speise ihnen erlaubt ist(Koran 5:5).

Professor Abdoldjavad Falaturi wurde vor allem durch seinen unermüdlichen Einsatz für den Dialog der Weltreligionen bekannt. Dennoch verhehlte er nie seine Meinung darüber, dass es ihm trotzdem nie vollends gelungen sei, die im Wege stehenden Hindernisse für einen Dialog gänzlich auszuräumen (siehe hierzu: Manfred Sader, Toleranz und Frieden, S. 43). Die Tischgemeinschaft stellt für ihn nicht nur einen Symbolcharakter, sondern eine aktive Partizipation innerhalb der Religionsgemeinschaften dar: „Die Tischgemeinschaft bedeute dabei nicht den wechselseitigen Besuch von jüdischen und muslimischen Speiselokalen. So etwas gab es nicht. Es bedeute vielmehr die Familienverbundenheit, orientiert am gemeinsamen Essen und Trinken. Noch bedeutsamer ist dieses Gebot, wenn man die Größe der Familienverbände in Betracht zieht“ (Falaturi, der Islam im Dialog, S. 89).

Seit Ende der siebziger Jahre des vorigen Jahrhunderts, veröffentlichte der französische Philosoph Professor Roger Garaudy, unzählige Werke über den lebensnotwendigen Dialog der Zivilisationen. Besonders sein international für Aufsehen erregendes Buch „Aufruf an die Lebenden“ (Türkische Ausgabe  „Yasayanlara Cagri“) betonte nachhaltig, wie wichtig und unumgänglich ein Dialog für die Welt sei. In nur wenigen Monaten verkaufte sich das Buch eine Million Mal allein in Frankreich, seinem Heimatland (Roger Garaudy, Hatiralar-Yüzyilimizda Yalniz Yolculugum, S. 269). Auch heute noch, hat die Aktualität von seinen Gesellschaftsentwürfen für einen authentischen „Dialog der Zivilisationen“ nichts eingebüßt. Dies kann man unter anderem auch daran feststellen, dass die Auflage seines Werkes in den letzten Jahren selbst in der Türkei beträchtlich zugenommen hat. Sein Grundsatz für einen aufrichtigen Dialog der Zivilisationen fasste er in einem Satz zusammen: „Der wahre Dialog, kann sich erst nur dann verwirklichen, wenn alle Teilnehmer von Anfang an den Gedanken in sich tragen, dass sie voneinander lernen können (Roger Garaudy, Insanligin Medeniyet Destani, S. 192).

Garaudy spendete alle Tantiemen, die er für sein Werk „Aufruf an die Lebenden“ erhielt, an Projekte mit demselben Namen „Aufruf an die Lebenden“, die kurz nach dem Erscheinen des Buches sich in verschiedenen Städten herausbildeten. Für viele Institutionen und Vereine, bildete sein Werk eine nicht zu verkennende Inspirationsquelle (siehe hierzu die Autobiographie von Roger Garaudy, in „Hatiralar-Yüzyilimizda Yanliz Yolculugum, S. 269-271). Was die Welt so dringend benötigt, sind Brückenbauer auf allen Lagern der Religionen und Kulturen. Professor Hans Küng beschrieb die Voraussetzung und die Grundlage eines Brückenbauers folgendermaßen zusammen: „Denn was unsere Zeit vor allem braucht, sind Brückenbauer. Brückenbauer, die bei allen Schwierigkeiten, Gegensätzen, Konfrontationen doch das Gemeinsame sehen: das Gemeinsame vor allem in den ethischen Werten und Haltungen; Brückenbauer, die sich zu diesen gemeinsamen ethischen Werten und Maßstäben bekennen und sie auch in ihrem Leben umsetzen“ (Der Islam, Geschichte, Gegenwart, Zukunft, S. 648).

Ob sich die seit Jahrzehnten mühevoll ausgearbeiteten und eingeleiteten Rahmenbedingungen von Garaudy und Küng, auch in Zukunft sich weiterhin durchsetzten wird, ist allein von der Aufgeschlossenheit und dem guten Willen der Menschen abhängig.

° Kein menschliches Zusammenleben ohne ein Weltethos der Nationen.

° Kein Frieden unter den Nationen ohne Frieden unter den Religionen.

° Kein Frieden unter den Religionen ohne Dialog unter den Religionen (Hans Küng, Projekt Weltethos, S. 171).

ÜBER DEN AUTOR

Ecevit Polat

5 Kommentare

  • Eine tolle Inspiration für unsere hiesige Lebensrealität!
    Die heutige Welt und besonders Europa kann sich das nicht mehr leisten Menschen in Blöcke zu teilen. Es gibt nur ein Erdball für uns alle!!!

    Weiter so mein Freund!

  • Garaudy hat zweifellos auch gute Sachen geschrieben, jedoch sollte man den nicht erwähnen ohne klar zu stellen, dass man sich von seinen Thesen über den Holocaust distanziert. Selbiger hat ihn in seinem Buch die Gründungsmythen der Israelischen Politik geleugnet. Sowas biete vor allem für Muslimhasser viel Munition.

  • Guten Tag Harald.

    Können Sie mir ein zitat von garaudy vorlegen, wo er den Holocoust leugnet? Seitwann gibt es Tabu Themen in Europa? Wieso wird einer als Holocaust-Leugner diffamiert, nur weil er mit Belegen versucht hat zu zeigen, dass die Zahl manipuliert wurde? Er hat den Holocaust niemals geleugnet. Bitte bringt keine Zitate von irgendwelchen Zeitungen die über ihn gemacht wurden. Bringt die klaren Zitate von Garaudy mit Quellen. Ich muss immer feststellen, dass zum Thema Garaudy immer die Unsachlichkeit und die Inhaltslosigkeit bevorzugt wird. Traurig!

  • Man darf nie vergessen, dass Garaudy selbst in einem KZ war (30 Monate) und ich habe seine kritischen Stellen in seinem Buch gelesen und kann mit Sicherheit sagen , dass er nicht den Holocaust leugnet er nimmt sogar bezug auf Menschen die sein Buch für eigene Interessen mißbrauchen wollen (rechtsradikale) und erteilt denen eine klare Absage

    LG Eddy

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