- 11.01.2010
Kritik an Pfeiffer-Studie
Sind junge Muslime eher gewalttätig, je religiöser sie sind? Eine Studie von Niedersachsens Ex-Justizminister Christian Pfeiffer legt dies nahe. An der Uni Osnabrück wurde er dafür nun scharf kritisiert. VON CHRISTIAN JAKOB
Wütend sind junge Muslime gelegentlich, aber wie sich das in Gewalt übersetzt – dafür liefert Pfeiffers Studie keine Erklärungsansätze. Foto: dpa
BREMEN taz | Der ehemalige niedersächsische Justizminister und Direktor des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen (KFN), Christian Pfeiffer, muss sich gegen harte Vorwürfe von Wissenschaftlern wehren. Auf einer Veranstaltung in der Uni Osnabrück, bei der Pfeiffers Thesen zum Zusammenhang von Islam und Jugendgewalt diskutiert wurden, wurde Pfeiffer am Montag „politisch motivierte Forschung“ und „Populismus“ zu Lasten von Moslems vorgeworfen.
Hintergrund ist eine KFN-Studie zum Thema Jugendgewalt. Diese hatte Pfeiffer bereits vor einiger Zeit veröffentlicht. Hierzu hatte das KFN deutschlandweit rund 45.000 SchülerInnen der neunten Klasse befragt. Unter anderem ging es dabei um den Zusammenhang von Religiosität und Gewalt. Aufsehen erregt hatten dabei Pfeiffers Thesen zum Islam. In seiner Studie heißt es: „Eine islamische Religiosität erhöht die Gewaltbereitschaft indirekt, in dem sie Faktoren fördert, die Gewaltbereitschaft fördern.“ Zu diesen Faktoren gehöre neben einer geringeren Integration auch die Identifikation mit „gewaltorientierten Männlichkeitsnormen“.
Zwei Berichte verfasste das Kriminologische Forschungsinstitut Niedersachsen (KFN) in den letzten Jahren für das Bundesinnenministerium.
Es sollte herausfinden, welche Zusammenhänge es zwischen Gewalterfahrungen, Medienkonsum und Integration gibt.
Mehrere zehntausende SchülerInnen wurden dabei auch zu ihrer Religiosität befragt.
Am Ende stellte das KFN Zusammenhänge zwischen dem Grad der selbst eingeschätzten Religiosität, Machoverhalten, Integration und Gewaltneigung her.
Der Essener Psychologe und Migrationsforscher Haci-Halil Uslucan warf Pfeiffer vor, die fehlerhafte Interpretation seiner Studie durch die Medien zugelassen zu haben: „,Jung, muslimisch brutal‘ – die Zahlen geben das nicht her, als sensibler Wissenschaftler hätte Pfeiffer da einschreiten müssen.“
Pfeiffer weist die Kritik zurück. „Der Veranstalter der Diskussion hat mich heute angerufen und sich bei mir entschuldigt. So ein rüpelhaftes und beleidigendes Verhalten ist mir in meiner Karriere noch nicht untergekommen.“ Kassis habe sich „extrem polemisch“ mit einem „Lufthansa-Piloten“ verglichen, der den Piloten einer „Billig-Airline“ belehren müsse.
Seine Vorwürfe würden nicht greifen: „Unser Zusammenhang ist nicht schwach. Die von uns befragten nicht-gläubigen Jugendlichen etwa identifizierten sich zu elf Prozent mit den Werten der Macho-Kultur. Die hoch gläubigen taten dies zu 22 Prozent. Das ist glatt doppelt so viel – und hoch signifikant“, sagt Pfeiffer. Er habe belegen können, dass die soziale Integration von Jugendliche abnehme, wenn die Religiosität steige. „Das zeigt sich ganz klar.“ Ebenso hingen Macho-Kultur und Religiosität zusammen. Diese Kultur begünstige Gewalt und verhindere Integration. Pfeiffer plädiert „dringend“ für die Ausbildung von Imamen in Deutschland und „mehr interkulturelle Pädgogik“. „Wir müssen den Kindergarten als Melting-Pot nutzen.“