Und wenn ihr fürchtet, in Sachen der Waisen nicht recht zu tun, dann heiratet, was euch an Frauen gut ansteht, (ein jeder) zwei, drei oder vier. Und wenn ihr fürchtet, nicht gerecht zu behandeln, dann (nur) eine, oder was ihr besitzt! So könnt ihr am ehesten vermeiden, unrecht zu tun. (Koran 4:3)
Die islamischen Rechtsgelehrten haben einige Bedingungen für die Mehrehe aufgestellt. Einige von diesen sind folgende:
1. In bestimmten Ehen mag einem potenten Mann, der sich Kinder wünscht, eine gefühlskalte, kranke oder unfruchtbare Frau gegenüberstehen. Um in solchen Situationen den Mann vor Unzucht zu bewahren, ohne dass die erste Ehe aufgelöst werden muss, und der Familie zu der ersehnten Nachkommenschaft zu verhelfen, ist diese Erlaubnis der einzige Ausweg.
2. Auch in Ländern, in denen die Einehe gesetzlich vorgeschrieben ist, gibt es Männer, die sich nicht mit einer Frau begnügen wollen oder können und verbotene bzw. heimliche Beziehungen aufnehmen, dir zur Zerrüttung der Familie, der Gesellschaft und der Moral führen. (siehe hierzu: Erlaubtes und Verwehrtes, H. Karaman, S. 109-111)
Koranexegeten wie Ali Ünal übersetzten den Vers mit: „Und falls ihr fürchtet, dass ihr ihre Rechte nicht in angemessener Weise wahren könnt, wenn ihr die Waisenmädchen (in eurer Obhut) heiratet…“ (Der Koran, Ali Ünal, S. 209)
Das bedeutet für Ünal, dass der Aufruf zu einer Mehrehe nur dann vollstreckt werden kann, wenn die Waisenmädchen geheiratet werden.
Andere zeitgenössische muslimische Gelehrte wie Mustafa Islamoglu sind der Ansicht, dass der Koranvers „Und wenn ihr fürchtet, in Sachen der Waisen nicht recht zu tun“ auf Witwen mit ihren Waisenkindern hindeutet, deren Männer nicht mehr lebten. (Mustafa Islamoglu, Hayat Kitabi Kuran, S.144)
Somit gibt es keinen Aufruf, die Waisenmädchen zu heiraten, sondern nur Witwen mit Waisenkindern.
Das maßgebliche Verb dazu: „el- Yetama“ (Waisen) ist geschlechtsunspezifisch, darunter wird sowohl Jungen als auch Mädchen verstanden. (siehe hierzu: Muhammad Abduh, Tefsirul Menar, Bd. 4, S. 400)
Der Buchautor und ehemalige Informationsdirektor der Nato, Dr. Murad Wilfried Hofmann schrieb dazu:
„Er (Gott) hat die im Prinzip zulässige Mehrehe unter eine glasklare Bedingung gestellt (4:3), die fast nie eingehalten wurde, ja beim Zitieren dieses Verses durch Männern oft übersprungen wird. Heißt es doch: Und wenn ihr fürchtet, sonst den Waisenkindern nicht gerecht werden zu können, dann heiratet… zwei oder drei oder vier. Eine Mehrehe kommt also nur zum Zweck der Fürsorge für Waisenkinder in Frage. Vor diesem Hintergrund war die polygame Praxis der Muslime jahrhundertelang illegal.“ (Den Islam verstehen, S. 113)
Zu bedenken ist aber auch, dass der Koranvers unmittelbar nach der Schlacht von Uhud offenbart wurde. In diesem Krieg starben 70 muslimische Männer im Gefecht mit den Mekkanern, die größtenteils Kinder und Frauen hinterließen. (Maududi, Tefhimul Kuran, Bd. 1, S. 321)
Nach den damaligen Zuständen vor ca. 1500 Jahren waren Witwen mit ihren Kindern dem Elend, wie z.B. der Armut ausgesetzt. Frauen hatten in der arabisch-patriarchalischen Gesellschaft nicht die Möglichkeit gehabt, eine Arbeit oder einer sonstigen Beschäftigung nachzugehen, denn dass war ausschließlich eine Sache nur für die Männer gewesen. Ein Ehemann mit Pflichtbewusstsein, entsprach dem heutigen Sozialstaat mit der Fürsorge für seine Familie.
Als einmal Ali ibn Abu Talib eine zweite Frau neben Fatima heiraten wollte, sagte der Prophet (s) zu ihm: „Ich erlaube dir nicht, ich erlaube dir nicht, ich erlaube dir nicht sie zu heiraten! Erst wenn Ali sich von meiner Tochter scheiden lässt, kann er die andere heiraten. Fatima ist ein Teil von mir. Wer sie traurig macht, macht auch mich zugleich traurig. Wer sie verletzt, verletzt auch mich!“ (Hadith Sammlung: ibn Mace, Nikah, 56)
Die erwähnten Bedingungen sind derart, dass Polygamie unter heutigen Umständen meistens ausgeschlossen ist; man kann daher zu Recht behaupten, dass dem Koran eine Tendenz zur Monogamie innewohnt:
„Und ihr könnt zwischen den Frauen keine Gerechtigkeit ausüben, so sehr ihr es auch wünschen mögt.“ (Koran, 4:129).
Wow… Ich wusste gar nicht das dieser Vers kurz nach der Schlacht von Uhud offenbart wurde. Das gibt dem Vers natürlich eine ganz andere Bedeutung! Danke für den tollen Beitrag… Weiter so!
Ich hatte schon fast gedacht der von Dir zuallerletzt zitierte Vers kommt nicht mehr 🙂 sehr guter Beitrag! Weiter so!
Jetzt verstehe ich ,dass die Kinderheirat nicht auf die Religion des Islam zurück zuführen ist, sondern so wie im Artikel beschrieben, auf die Kultur der Länder zu führen ist. Diesen Artikel müssen unbedingt viele lesen!!!