Kann eine Frau aus islamischer Sicht Regierungscheffin werden?

In den islamischen Kernländern wie Saudi Arabien oder auch Iran beobachtet man, dass an der Staatsspitze nur Männer vorhanden sind. Für die Mehrheit der islamischen Gelehrten ist die Sachlage eindeutig, dass keine Frau als Regierungschefin oder als Spitze eines Staatsoberhauptes stehen darf. Ihre These und Meinungsbildung stützen sich auf eine maßgebliche Propheten- Überlieferung: „Lan yuflicha qaumun wa lau amrahum imra`a“ zu Deutsch: „Niemals werden Leute erfolgreich sein, die eine Frau zu ihrem Herrscher machen“. (al-Bukhari, Bd. 9, S. 88)

Einige muslimische Denker halten diesen Hadith für fragwürdig, wie etwa der deutsche Muslim Murad Wilfried Hofmann: „Es handelt sich um ein sehr spät von Abu Bakrah (nicht zu verwechseln mit dem 1. Kalifen Abu Bakr) während der „Schlacht des Kamels“ zwischen Aisha und Ali überliefertes und von Al- Bukhari übernommenes, in der damaligen Situation politisch verdächtig zweckmäßiges Hadith.“ (Den Islam verstehen, S. 198)

Die meisten orientalischen Männer halten Frauen gleichwohl für irrationaler als sich selbst und stärker von Emotionen bestimmt.

Welche Kriterien werden in der Heiligen Schrift aufgeführt und behandelt? Können Frauen unter keinen Umständen Staatsoberhäupter werden?

Zwei Koranstellen legen die Vorraussetzungen offen dar und erläutern, welche Eigenschaften vorhanden sein müssen, um in die Verantwortung des Staatsoberhauptes eintreten zu dürfen:

„Und ihr Prophet sagte zu ihnen: ”Wahrlich, Allah hat bereits Saul zum König über euch eingesetzt.” Da fragten sie: ”Wie kann ihm die Herrschaft über uns zustehen, wo wir doch das (größere) Anrecht auf die Herrschaft haben als er und ihm nicht genügend Besitz gegeben ist?” Er sagte: ”Wahrlich, Allah hat ihn vor euch auserwählt und hat ihm reichlich Wissen und körperliche Vorzüge verliehen. Und Allah gibt Seine Herrschaft, wem Er will. Und Allah ist Allumfassend, Allwissend.“ (2:247)

Der andere Vers lautet: „Er (Jusuf) sagte: ”Setze mich über die Schatzkammern des Landes ein; denn ich bin ein wohl erfahrener Hüter.“

Die Koranverse machen deutlich, dass drei Kriterien vorhanden sein müssen, um an der Staatsspitze zu stehen: 1. Wissen, 2. Körperliche wie geistige Gesundheit und  3. die Erfahrung.

Aus diesem Grund geht der damalige Religionsminister der Türkei, Süleyman Ates davon aus, dass der oben zitierte Hadith eine Fälschung ist (Gercek Din Bu, Bd. 2, S.85-86), da sie gegen grundlegende Prinzipien des Koran widersprechen, wie z.B. die positive Erwähnung der Königen von Saba (Belqis): „Siehe, ich fand dort eine Frau, die über sie herrscht. Sie verfügt über alle Dinge im Überfluss und besitzt einen herrlichen Thron.“ (Koran, 27:23-24)

Die marokkanische Soziologin Fatima Mernissi bemühte sich um den Nachweis, dass es in der muslimischen Geschichte Frauen in Regierungsverantwortung gegeben habe. Die Mameluken- Sultanin Schadschara ad-Dur regierte 1250 in Kairo nur für ein paar Monate. Und auch Radia, von 1236 bis 1240 auf dem Moghulen- Thron in Delhi, blieb eine die Regel bestätigende Ausnahme. ( siehe hierzu: Herrscherinnen unter dem Halbmond. Die verdrängte Macht der Frauen im Islam)

Hieraus erschließt sich, dass es letztendlich um die Kompetenz der betroffenen Personen geht und nicht um das Geschlecht.

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Ecevit Polat

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