Die Nachricht ging um die Welt: Zwei ehemals muslimische Frauen wurden im Iran gefoltert, weil sie das Christentum angenommen hatten. Ihnen stehe die Hinrichtung bevor, sollten sie sich nicht wieder zum Islam bekennen.1 Ein Teil der Journalisten schrieb darüber in der guten Absicht, einen solchen Mord zu verhindern. Ein anderer Teil hingegen nahm es zum Anlass, um islamophobe Ideen kundzutun. So hieß es, der Islam sei eine Religion der Gewalt und Despotie; daher müsse man die Verbreitung des Islams verhindern, wenn Menschenrechte und Freiheiten Beachtung finden sollen.
In den relevanten Kapiteln der Fiqh-Bücher2 ist tatsächlich zu lesen, dass als Strafe für die Abkehr von der Religion Folter und Todesstrafe vorgesehen sind. Dies gilt für Mann und Frau gleichermaßen. Im Koran hingegen wird man vergeblich nach einer solchen Weisung suchen. In den Hadithen3 wiederum finden sich unterschiedliche Überlieferungen zu diesem Thema. Betrachtet man diese Quellen zusammengenommen im Kontext und im Geiste des Islams, so gelangt man zu dem Ergebnis, dass die besagte Strafe nicht für die Abkehr von der Religion verhängt wird, sondern für Kriegshandlungen, die gegen Muslime gerichtet sind.
Ein gutes Beispiel für dieses Verständnis liefert der Rechtsgelehrte Imam Abu Hanifa.4 Er verteidigte eine Frau, die sich von der Religion losgesagt hatte, indem er sagte, man könne sie nicht töten, weil Frauen von Natur aus keine Krieger sind. Seine Stellungnahme wird detailliert von Sarahsi in dessen Werk Al-Mabsut im Kapitel Siyar Murtad dargelegt. Unter Bezugnahme auf die Hadithe des Propheten, die das Töten von Frauen im Krieg strikt verbieten, kommt Abu Hanifa zu folgendem Urteil: „Dies zeigt, dass die Todesstrafe nicht für die Abkehr vom Islam vorgeschrieben wird, sondern für eine Kriegserklärung bzw. Kriegshandlung. Aus diesem Grunde können Frauen nicht getötet werden, denn Frauen sind keine Krieger.“
Aber auch Männer, die sich von der Religion lossagen, dürfen nicht getötet werden, solange sie sich keine Kriegshandlungen zu Schulde kommen lassen. Schließlich erklären sie mit ihrer Abkehr von der Religion nicht zwangsläufig den Muslimen den Krieg. Diese Regelung passt auch viel eher zum Islam. Denn es kann nicht sein, dass der Islam Menschen zum Muslimsein zwingt oder sie dazu nötigt, um jeden Preis Muslime zu bleiben, wo doch andererseits im Koran eindeutig gesagt wird: Es gibt kein Zwang in der Religion. (2:256)
Ich empfehle also all jenen, die sich berufen fühlen, über den Islam zu schreiben, nicht pauschal zu urteilen: „Im Islam ist das so und so!“ Richtiger ist in jedem Fall eine Einschränkung wie beispielsweise: „Nach Meinung von Person XY ist das so und so, oder nach Meinung der Rechtsschule XY oder nach Meinung des Korankommentars XY.
Prof.Hayreddin Karaman
1 Dabei unterliegen dem Islam zufolge alle Strafhandlungen der Hoheit des Staates. Selbstjustiz ist keinesfalls erlaubt und wird gleichermaßen strafrechtlich geahndet. 2 Unter Fiqh versteht man die islamische Rechtssprechung. Er beinhaltetalle Lebensbereiche, von den gottesdienstlichen (Ibada) Handlungen bis hin zu den gesellschaftlichen Angelegenheiten (Muamalat). 3 Die Hadithe sind die Aussprüche des Propheten Muhammad 4 Abu Hanifa, auch Imam Azam (Der große Imam) genannt, hieß mit bürgerlichem Namen Numan ibn Thabit. Er ist Begründer der hanafitischen Rechtsschule, die zu den Ahl ar-Ray (Anhänger der Vernunft) gezählt wird. Quelle: Inid.de
Selamun Aleikum und Ramadan Kareem!
Sehr schön! Noch ausführlicher gings nicht masallah.
wslm 😉