Enthält der Koran naturwissenschaftliche Aussagen?

 

Im Jahre 2000 veröffentlichte der an der Universität Princeton lehrende Koranforscher Professor Michael Cook  seine langjährige Arbeit zum Thema „The Koran. A Very Short Introduction“.

Unter der Überschrift „Der Koran und das wissenschaftliche Weltbild“ kritisiert Cook das Bestreben der Muslime, die ihr heiliges Buch mit naturwissenschaftlichen Ereignissen in Einklang bringen wollen: „In der islamischen Welt unserer Tage existiert eine weit verbreitete und finanziell bestens ausgestatte Textindustrie, die sich damit beschäftigt, die Wahrheiten der modernen Wissenschaft im Koran wiederzufinden“ (siehe hierzu: Der Koran, Michael Cook, S. 40-44).

Auch unter den muslimischen Theologen, findet seit geraumer Zeit ein Diskurs darüber statt, ob es denn tatsächlich der Intention des Korans entspricht, wissenschaftliche Aussagen aus dem Text entnehmen zu können. Für den türkischen Theologen Professor Ilhami Güler, ist es nicht die Aufgabe einer heiligen Schrift, wissenschaftliche Erkenntnisse mitzuteilen. Die grundlegende Aufgabe der Offenbarung ist für Güler folgende: „Es geht dem Koran nicht hauptsächlich darum, Naturwissenschaftliche Begebenheiten kund zu tun. Vielmehr läutert die Schrift, die Menschen und die Gesellschaft auf den rechten zu weisen und dabei ihre Probleme zu lösen“ (Dine Yeni Yaklasimlar, S. 32).

Für Prof. Mustafa Öztürk ist die Synthese „Koran und Wissenschaft“ vor allem eine moderne Erscheinungsform. Dieser Diskurs geht zweifelsohne auf ein Plädoyer von Prof. Ernest Renan zurück. Am 29. März 1883 hielt Ernest Renan einen Vortrag an der Sorbonne, der dann später unter dem Titel „Der Islam und die Wissenschaft“ veröffentlicht wurde. Renan warf der Religion des „Islam“ vor, die muslimische Welt an den technologischen und gesellschaftlichen Fortschritten zu hindern- „Dies war der Anfang der apologetischen Grundhaltung der Islamischen Gelehrten, der bis in unsere Tage anhält“ so Öztürk (Kuran, Tefsir ve Usul, S. 31-32).

Aus Minderwertigkeitskomplexen im 18. Jahrhundert gegenüber dem überlegenen Westen, versuchten namhafte Koranexegeten nachzuweisen, dass selbst neu entdeckte naturwissenschaftliche Phänomene bereits im Koran vor über 1400 Jahren offenbart wurden. Es sollte der Beweis erbracht werden, dass der Islam im Gegenteil zum naturwissenschaftlichen Fortschritt anspornt. Der 1940 verstorbene Koranwissenschaftler Sheik Tantawi, veröffentlichte eine 25 bändige wissenschaftliche Koranexegese namens “el-Cevahir“. Darin versuchte er die Kompatibilität der heiligen Schrift, mit den modern- neuentdeckten Naturwissenschaften nachzuweisen.

Auch im 14. Jahrhundert wurden unzählige Kontroverse darüber geführt, ob Gott im Koran naturwissenschaftliches Wissen offenbart habe. Der Rechtsgelehrte und Autor mehrerer Werke  Ebu İshak Schatibi (gest. 1388), setzte sich sehr intensiv mit diesem Thema auseinander. In seinem Hauptwerk „el-Muvafakat“ vertrat er die Ansicht, dass kein modernes Wissen im Koran vorhanden sei. Denn die ersten Zuhörer der göttlichen Schrift, die Sahabis (Gefolgschaft des Propheten) verstanden die Botschaft einwandfrei. Kein Gefährte des Propheten Muhammed (s) verstand die Koranverse als wissenschaftliche Botschaft (siehe hierzu: Schatibi, el-Muvafakat, Bd. 2, S. 389-390).

Die heutigen muslimischen Gelehrten würden Schatibi´s Ansichten  mit nur einer Einschränkung zustimmen, dass der Koran nicht ausschließt, vielfältige Bedeutungen zu umschreiben: „Das Arabische ist fähig, zeitlich unbestimmte Aussagen zu machen, wofür wir uns etwa mit „es war“, „es ist“ und „es wird sein“ behelfen müssten. Ferner kann man in dieser Sprache künftige Ereignisse, deren Eintreten gewiss ist, als bereits geschehen in der Vergangenheitsform aussagen. Schließlich kann jedes arabische Wort in acht verschiedene Modalitäten gebracht werden, ob die dabei entstehende Bedeutung in der realen Welt möglich ist oder nicht. Dies qualifiziert das Arabische besonders für philosophisch-spekulatives und wissenschaftlich-hypothetisches Denken“ (Murad Hofmann, Der Islam im 3. Jahrtausend, S. 157).

Prof. Maurice Bucaille publizierte 1976 seine zehnjährige Forschungsarbeit in seinem Werk „Bibel, Koran und Wissenschaft“, das auch in Deutschland mehrere Auflagen erreicht hat. Während seiner Forschung war er darüber sehr erstaunt gewesen, dass der Koran zu seinem Fachgebiet „Medizin“ vieles im Einklang mit den zeitgenössischen Entdeckungen ausführlich beschrieb.

Zum Beispiel die koranische Darstellung der menschlichen Fortpflanzung aus einem Tropfen Sperma: „Er hat den Menschen aus einem Samentropfen (nutfetin) erschaffen“ (Koran 16:4), der sich im Mutterschoß anklammert: „…dann aus einem Samentropfen, dann aus etwas sich Anklammernden (min alekatin)…“(Koran 22:5). Zu einem Zeitpunkt, da die Vorstellungen vom Zeugungsvorgang noch abergläubisch geprägt waren, deutete der Koran an, dass ein Embryo entsteht, wenn sich männlicher Samen im Ei der Frau einnistet: „Wir erschufen den Menschen fürwahr aus einem Tropfen Samen, der sich (mit  der Eizelle) vermischt“ (Koran 76:2).

Viele Wissenschaftler erkennen, dass die Entwicklungsstadien eines Embryos im Koran äußerst genau beschrieben werden (siehe hierzu: Bibel, Koran und Wissenschaft. Die Heiligen Schriften im Licht moderner Erkenntnisse, S. 314-327).

Ein anderes Beispiel ist der folgende Koranvers: „Oder (die Ungläubigen sind) wie Finsternisse in einem tiefen Meer: Eine Woge bedeckt es, über ihr ist (noch) eine Woge, darüber ist eine Wolke; Finsternisse, eine über der anderen. Wenn er seine Hand ausstreckt, kann er sie kaum sehen; und wem Allah kein Licht gibt − für den ist kein Licht“ (Koran 24:40).

In diesem Vers werden die Finsternisse in den Tiefen des Ozeans beschrieben. Erst am Anfang des 20. Jahrhunderts konnte durch eine Spezialausrüstung an U-Booten nachgewiesen werden, dass es ab einer Tiefe von 1000 Metern so dunkel ist, dass man nichts mehr sieht. Der Koran beschreibt die Dunkelheit in den Tiefen des Meeres wie folgt: „Wenn er seine Hand ausstreckt, kann er sie kaum sehen“ (Sohaib Sultan, Der Koran für Dummies, S. 152).

Die Wunder-Lehre des Korans hat seine Anziehungskraft  auch im 21. Jahrhundert bewahrt. Besonders verweisen die muslimischen Konvertiten mit Stolz darauf hin, dass unter allen heiligen Schriften, allein der Koran keine Aussagen enthält, die gesicherten naturwissenschaftlichen Erkenntnissen widersprechen (siehe hierzu: Dr. Hamza Mustafa Njozi, Ursprung des Korans. Untersuchung der Urheberschaftstheorien, 2005).

Der deutsche Konvertit Dr. Murad Wilfried Hofmann, fasst seine Gedanken im Diskurs zu „wissenschaftliche Aussagen im Koran“ wie folgt zusammen: „Westliche Leser sind dadurch zu beeindrucken, dass Naturgeschichte, Kosmologie und sonstige naturwissenschaftliche Aussagen des Korans ausnahmslos im Einklang mit modernen Erkenntnissen stehen- ohne deswegen den Koran als ein naturwissenschaftliches Lehrbuch misszuverstehen“ (Islam, S. 26).

Auch im 21. Jahrhundert ist es nicht abzusehen, dass die divergierende Meinung der islamischen Gelehrten zum Thema „Wunder im Koran“ zu enden scheint.

Wir werden sie Unsere Zeichen überall auf Erden und an ihnen selbst sehen lassen, damit ihnen deutlich wird, dass es die Wahrheit ist. Genügt es denn nicht, dass dein Herr Zeuge aller Dinge ist?“ (Koran 41:53).

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

ÜBER DEN AUTOR

Ecevit Polat

3 Kommentare

  • suuper Thema ellerine saglik. Genau das was wir brauchen!

    „“die Menschen und die Gesellschaft auf den rechten zu weisen und dabei ihre Probleme zu lösen“ (Dine Yeni Yaklasimlar, S. 32).““ von Ilhami Güler kann ich nicht nachvollziehen weil,

    zu welchen Problemen wurden oder sollten denn folgenden Verse gelöst werden??

    „“und aus dem Wasser alles Lebendige gemacht.““ 21:30
    oder dass die Berge wie Pflöcken sind? oder dass die Planeten sich in einer Umlaufbahn befinden? Welche Probleme sollten damit gelöst werden? Ilhami Güler und Mustafa Öztürk haben mich zu tiefst enttäuscht. Die muss man echt mit vorsicht genießen.

    wslm ..

  • Slm sehr aufschlussreicher Artikel! Gute Arbeit! 🙂

    Was mich unter anderem besonders beim Koran beeindruckt hat ist die Erklärung des Ausdehnens des Universums, was erst vor kurzem bewiesen wurde im Koran steht:

    51:47:Und den Himmel haben Wir mit Kraft aufgebaut, und Wir weiten (ihn) wahrlich (noch) aus².

    ²Auch: und Wir verfügen wahrlich über breite Möglichkeiten

    (auch Asad: und wahrlich, Wir sind es, die es stetig ausdehnen)

    Manche sagen das mit „Himmeln“ nicht das Universum gemeint wäre aber der Koran zeigt eindeutig in Sure15 Vers 16:

    Und fürwahr, Wir haben in den Himmeln große Sternbilder errichtet und sie mit Schönheit versehen, für alle zu erblicken; (Asad)

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