Koran und Gewalt verherrlichende Überlieferungen

In Al- Bukhari (810-870) und Muslim (817-875) (Hadith-Sammlungen), werden Gewalt verherrlichende Textpassagen überliefert. Diese zählen zu den authentischsten Glaubensüberlieferungen der Sunniten. Die Mehrheit der Muslime, ca. 85%, bekennt sich zu der sunnitischen Konfession und 15% gehören der schiitischen Konfession an.  Im Jahre 1993 veröffentlichte die Islamische Bibliothek ein Buch mit dem Namen „Hadit für Schüler“. Hierin heißt es: „Das Blut eines Muslims (zu vergießen) ist nicht erlaubt, außer in einem dieser drei (Fälle)…: und (im Fall) desjenigen, der seinen Glauben verlässt und sich von der Gemeinschaft trennt.(Überliefert in Bukhari und Muslim. Hadit für Schüler, S.127)

Der Übersetzer kommentiert die Überlieferung wie folgt: „Als Beispiel für die verheerende Folgen, die vom Islam Abtrünnige verursacht haben, möge man an Sekten wie die Nusairier (Alawiten) in Syrien, die Drusen im Libanon, die Baha´is im Iran und andere denken. All diese Sekten führen ihren Ursprung auf Leute zurück, die vom Islam abgefallen waren, sich von der Gemeinschaft der Muslime trennten, neue , eigene Gemeinschaften gründeten und dann unter den Muslimen Schaden und Unheil anrichteten.“ (Hadit für Schüler, S. 129-130)

Kurioserweise bedenke man, dass diese Ausgabe primär für die Schüler herausgegeben wurde, mit der Überschrift „Hadit für Schüler“.

In Saudi Arabien veröffentlichte 1975 die religiöse Autorität Bin Baz ein Buch, dass den Namen trägt  „Wissenschaftliche und erzählerische Beweise, dass die Erde fix ist, die Sonne sich bewegt und es möglich ist zu den Planeten zu gehen.“

Darin versuchte er mittels der Hadithe nachzuweisen, dass die Erde nicht rotiert. Diejenigen, die weiter daran festhielten und der Ansicht waren, dass die Erde sich um die eigene Achse dreht, wurden von ihm als Apostaten gebrandmarkt. Wenn sie von ihrer Gesinnung nicht ablassen, müssen sie hingerichtet und ihr Hab und Gut wird unweigerlich in die Staatskasse übertragen. (siehe hierzu: el-Edilletü´n-Nakliyyetu ve´l –Hissiyye ´ala Cereyani´s-Semsi ve Sukuni´l-arzi ve imkani´s-Suudi ile´l-Kevakib, S. 23, 2 Auflage, Bin Baz)

Noch bedenklicher ist es, dass es die Universität von Medina war, die dieses Buch von Bin Baz publizierte.

Werden Austritte vom Islam mit dem Tode bestraft, so wie uns einige Hadite glauben lassen wollen? Gibt es konkrete Stellen diesbezüglich im Koran?

In Sure 4 Vers 137 wird exakt die Situation der Apostaten eingehend behandelt:

„Gewiss, diejenigen, die gläubig sind, hierauf ungläubig werden, hierauf (wieder) gläubig werden, hierauf  (wieder) ungläubig werden und dann an Unglauben zunehmen – es ist nicht Allahs (Wille), ihnen zu vergeben noch sie einen (rechten) Weg zu leiten.“

Es wird daraus deutlich, dass der Islam vor allem eine Todesstrafe für Abfall vom Glauben nicht kennt, da es wohl schwer möglich ist, dass ein Toter sich wieder zum Islam bekennt.

Hier noch weitere Beispiele:

„Und sag: (Es ist) die Wahrheit von eurem Herrn. Wer nun will, der soll glaubenund wer will, der soll ungläubig sein.“ (18:29)

Im folgenden Koranvers wird nicht nur der Prophet angesprochen, sondern alle Muslime: „Und wenn dein Herr wollte, würden fürwahr alle auf der Erde zusammen gläubig werden. Willst du etwa die Menschen dazu zwingen, gläubig zu werden.“ (10:99)

Kernstück dieser umfassenden Haltung ist die fundamentale Aussage in 2:256:

Es gibt keinen Zwang im Glauben.“

In einer Fußnote zum Koranvers fügt Murad Hofmann zu: „Dies ist sowohl das Verbot, in Glaubensfragen Gewalt anzuwenden, wie die Feststellung, dass solcher Zwang ein untauglicher Versuch wäre.“ (Der Koran, S.57)

Vor langer Zeit rief der deutsche Muslim und Publizist Murad Wilfried Hofmann die Gelehrten der islamischen Welt auf, die Überlieferungen der Hadithen nochmals mit historisch-kritischen Methoden zu überarbeiten:

„Die übergroße Mehrheit der Muslime hält im Prinzip an den Hadith-Sammlungen fest, räumt aber ein, dass sich darin schon aufgrund einer bloßen Wahrscheinlichkeitsrechnung noch unauthentisches Material finden kann. Damit sind die qualifiziertesten zeitgenössischen muslimischen Wissenschaftler in Nachfolge von Numani al-Shibli, Fazlur Rahman, Muhammad al-Ghazali und Yusuf al-Qaradawi aufgerufen, mit den modernsten Methoden der historisch-kritischen Forschung ein weiteres, zweites Mal zu versuchen, die Überlieferungen des Propheten in gültige und ungültige zu scheiden: eine monumentale Aufgabe von hoher Verantwortung, ohne deren Bewältigung der Islam kaum hoffen kann, den Aufgaben des 3. Jahrtausends gewachsen zu sein.“  (Der Islam im 3. Jahrtausend, S. 215-216)

Der ehemalige  Dekan der Theologischen Fakultät Istanbuls Yasar Nuri Öztürk, erwähnt in sämtlichen Büchern die Verdienste des 1999 verstorbenen Gelehrten Nasiruddin el-Elbani. Für Öztürk ist Elbani die größte Autorität des 20. Jahrhunderts in der kritischen Forschung der Hadithe.

Nasiruddin el-Elbani forschte etwa fünfzig Jahre lang nach gültigen und nichtgültigen Überlieferungen. Diese wertvolle und bis heute nicht übertroffene Arbeit wurde in 28 Bänden in seinem Werk  „el-Ahadis ez-Zaifa ve`l Mevzua“ zusammengetragen.

1. Es-Sahiha besteht aus 11 Bänden. In diesem ersten Teil werden etwa 4035 Hadithe als authentisch dargelegt.
2. Es-Zaifa ve´l Mevzua ist der zweite Teil und um einiges umfangreicher. In 17 Bändern falsifiziert Elbani 7162 Hadithe als Fälschung. (Yasar Nuri Öztürk, Kuranin Yarattigi Mucize Devrimler, S. 236)

All diese Erkenntnisse zeigen deutlich, dass bei einem offenkundig widersprüchlichen Inhalt eines Hadiths wie im vorgestellten Beispiel über die Anwendung von Gewalt bei Apostasie, der Koran und sein Inhalt als Maßstab zu nehmen sind.

ÜBER DEN AUTOR

Ecevit Polat

7 Kommentare

  • salam bruder!! ich verfolge deine arbeiten seid einiger zeit und will mich jetzt mal äussern.ich finde den text zum teil okay aber der austritt aus der religion ist im islam nicht gestattet und er wird mit dem tode bestraft.niemand kann das abändern oder in frage stellen.wir können uns unsere religion nicht so drehen wie wir es wollen und mit so unauthentsichen und nicht relevanten quellen alles beantworten.es gibt sachen im islam die uns nicht passen aber es ist gesetz und dann darf es keine wiederworte geben.vieles erscheint uns komisch aber wir müssen uns hingeben weil islam ist hingabe .möge dich Allah leiten bruder.
    salamualeikum wa rahmatullah wa barakatu

  • Slm Ecevit!

    Super Beitrag wie immer und sehr tiefe Gedankengänge, die auch einen guten Kenner des Islams neue Perspektiven aufweist…

    Naim

    „aber der austritt aus der religion ist im islam nicht gestattet und er wird mit dem tode bestraft.“

    Es gibt keine einzige Sure im Koran sie dies legitimiert oder auch nur ansatzweise erwähnt und willst du Hadithe, dessen früheste Abschriften erst 200 Jahre nach dem Tod des Propheten datiert und erhalten sind, über den Koran stellen? (wie im Text bereist erwähnt Sure 2:256 : Es soll keinen Zwang in Sachen des Glaubens geben)

    „niemand kann das abändern oder in frage stellen.wir können uns unsere religion nicht so drehen wie wir es wollen und mit so unauthentsichen und nicht relevanten quellen alles beantworten.“

    Der Autor hat weder etwas verdreht noch aus dem Zusammenhang gerissen – Er hat sich an die wichtigste Autorität – den Koran- gehalten. Ich denke eher Du verdrehst die Religion zu etwas, was Sie nie erlaubt hat zu sein…

    „es gibt sachen im islam die uns nicht passen aber es ist gesetz und dann darf es keine wiederworte geben.vieles erscheint uns komisch aber wir müssen uns hingeben weil islam ist hingabe .möge dich Allah leiten bruder.“

    Im Islam gibt es nichts was komisch ist – die Auslegung des Islams nach reformatischen und vernünftigen Ansätzen ist die einzige Weise, wo in Ihm kein Widerspsruch entsteht…

    Möge „Gott“ dich leiten…

    LG Eddy

  • So wie der Quran die uneingeschränkte Freiheit gibt, eine Religion anzunehmen, gewährt er auch die uneingeschränkte Freiheit zum Austritt aus einer Religion. Menschen haben sich hier nicht einzumischen. Es handelt sich dabei allein um eine Angelegenheit zwischen dem Schöpfer und Seinen Geschöpfen. Der Prophet begegnete kurz vor der Zeit der Auswanderung (Hidschra) jenen außerordentlich verständnisvoll, die sich aufgrund von Verfolgung oder familiären Zwängen vom Islam abgekehrt hatten. Das war zum Beispiel bei zwei jungen Muslimen namens Hischam und Ayyash der Fall, die nach langem Ringen dem Islam abschworen. Dies hatte für sie keinerlei Sanktionen zur Folge. Als die ersten Auswanderer nach Abbessinien gegangen waren, konvertierte Ubaydallah ibn Dschahsch zum Christentum. Weder der Prophet in Mekka, noch die in Abbessinien lebenden Muslime unternahmen etwas gegen ihn; er blieb Christ bis zu seinem Tod, ohne dass er deswegen jemals irgendwelche Sanktionen zu spüren bekommen hätte. Später in Medina verurteilte und bestrafte er jedoch jene streng, die vorgeblich und nur zu dem Zweck zum Islam übertraten, um Informationen über die Muslime zu erlangen, den Islam danach verleugneten, zu ihren Stämmen zurückkehrten und ihnen das, was sie herausfinden konnten, hinterbrachten. Sie betätigten sich damit als Kriegsverräter

  • Selam alaikum,

    Naim@:Ich brauche eigentlich auf deine Fragen nicht mehr einzugehen, da Eddy dankenswerterweise deine Fragen sachlich und prägnant beantwortet hat. Eddy hat vollkommen recht, wenn er schreibt, dass es keine Autorität über dem Koran geben darf. Es ist wirklich sehr traurig, wenn Bücher wie „Hadit für Schüler“ weiterhin im Handel verkauft werden, und der Übersetzter des Werkes
    folgendes anmerkt:
    „Als Beispiel für die verheerende Folgen, die vom Islam Abtrünnige verursacht haben, möge man an Sekten wie die Nusairier (Alawiten) in Syrien, die Drusen im Libanon, die Baha´is im Iran und andere denken. All diese Sekten führen ihren Ursprung auf Leute zurück, die vom Islam abgefallen waren, sich von der Gemeinschaft der Muslime trennten, neue , eigene Gemeinschaften gründeten und dann unter den Muslimen Schaden und Unheil anrichteten.“ (Hadit für Schüler, S. 129-130)

    Das ist ein klarer Aufruf dafür, es schade zu finden, die aufgelisteten Gruppen nicht getötet zu haben!

    Hoffen wir, dass diese Art von Büchern nicht mehr publiziert werden!

    Wassalam

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