Sind Mann und Frau gleichwertige Geschöpfe?

 

Der Koran spricht von der Gleichwertigkeit der Menschen vor Gott. In Sure 4 Vers 1 heißt es: „0 ihr Menschen, fürchtet euren Herrn, Der euch aus einem einzigen Wesen schuf, und aus ihm schuf Er seine Gattin und ließ aus beiden viele Männer und Frauen sich ausbreiten…“

Mann und Frau haben denselben Ursprung und sind gleichwertige Geschöpfe. Im Koran sind sie gleichberechtigt in allen rechtlichen, moralischen, ethischen und religiösen Handlungen. Einige Stellen im Koran weisen jedoch eine Ungleichheit auf, die man erst in ihrem historischen Kontext verstehen kann.

Die Schöpfungsgeschichten der Religionen stellen oft dar, dass die Frau ein Teil des Mannes sei (aus einer Rippe des Mannes erschaffen!). Es ist auch eine weit verbreitete Meinung, dass aus dieser Entwicklung heraus die Frau kein eigenständiges und selbstständiges Wesen sein kann! Diese Darstellung wird von zahlreichen muslimischen Kommentatoren übernommen, obwohl es dafür im Koran keine Grundlage gibt.

Es ist auch keine koranische Darstellung, dass die Frau für den Mann geschaffen wurde. In der Schöpfungsgeschichte ist nicht die Frau daran schuld, dass Adam aus dem Paradies ausgewiesen wurde. Adam und Eva machten sich beide durch unbedachtes Verhalten schuldig. Sie beide erkannten ihren Fehler, erlangten die Einsicht, um Reue zu zeigen, und Gott verzieh beiden (die Verse über die Schöpfungsgeschichte in Sure 2 Vers 31 sind in Dualform).

Daher findet die verbreitete Meinung, dass die Frauen grundsätzlich für den größten Teil der Missstände auf dieser Welt die Schuld tragen, weil Eva Adam verführt hat, keine Legitimität in der islamisch- Koranischen Lehre.

Die Geburt eines Mädchens galt in der Gesellschaft zur Zeit der Offenbarung als Schande, und es kam auch vor, dass die neugeborenen Mädchen lebendig begraben wurden. Der Koran erhebt sich in zwei Stellen deutlich gegen diese Unsitte:

„Wenn  einem von ihnen die frohe Botschaft (von der Geburt) eines Mädchens verkündet wird, bleibt sein Gesicht finster, und er hält (seinen Grimm) zurück. Er verbirgt sich vor den Leuten wegen der schlimmen Nachricht, die ihm verkündet worden ist. Soll er es trotz der Schmach behalten oder es in die Erde stecken? Wie böse ist, was sie urteilen! „ (Sure 16:58 und 59).

In Sure 81 heißt es, dass die lebendig begrabenen Mädchen am Jüngsten Tag als Zeuginnen gegen ihre Peiniger aussagen werden.

Der Koran bezeichnet den Unterschied der Geschlechter und die Vielfalt der Völker als Bereicherung und gegenseitige Ergänzung:

„O ihr Menschen, Wir haben euch ja von einem männlichen und einem weiblichen Wesen erschaffen, und Wir haben euch zu Völkern und Stämmen gemacht, damit ihr  einander kennen lernt.“ (Koran Sure 49 Vers 13)

Der Koran hebt auch die Unsitte auf, dass die Frau selbst als ein Erbgut betrachtet wurde: „O die ihr glaubt, es ist euch nicht erlaubt, Frauen wider (ihren) Willen zu erben. Und drangsaliert sie nicht, um (ihnen) einen Teil von dem, was ihr ihnen gegeben habt, zu nehmen….“ (Sure 4:19)

Der Verdienst des gleichen Lohnes für Mann und Frau ist im Koran selbstverständlich: „Und wünscht euch nicht das, womit Gott die einen von euch vor den anderen bevorzugt hat. Den Männern kommt ein Anteil von dem zu, was sie verdient haben, und den Frauen kommt ein Anteil von dem zu, was sie verdient haben. Und bittet Gott (um etwas) von Seiner Huld. Gott weiß über alles Bescheid“. (Sure 4:32)

Auch die Entlohnung im Jenseits bezieht sich auf beide Geschlechter:

Wer rechtschaffen handelt, sei es Mann oder Frau, und dabei gläubig ist, den werden Wir ganz gewiss ein gutes Leben, leben lassen. Und Wir werden ihnen ganz gewiss mit ihrem Lohn das Beste von dem vergelten, was sie taten.“ (Sure 16:97)

Der größte Islamgelehrte des vergangenen Jahrhunderts, Prof. Muhammed Hamidullah schrieb zum Thema Frauen:

Zu jeder Zeit der islamischen Geschichte, auch zu der des Propheten, haben die muslimischen Frauen jeden ihnen gemäßen Beruf ausgeübt: sie waren Krankenpflegerinnen, Lehrerinnen, notfalls auch Soldaten an der Seite ihrer Männer; es gibt ferner Sängerinnen, Friseusen, Köchinnen usw. Der Kalif Umar beschäftigte eine Frau (Schifa) als Marktinspektor in der Hauptstadt Medina (ibn Hadschar, Isabah). Diese Dame lehrte Hafsah, eine der Gattinnen des Propheten, das Lesen und Schreiben.“ ( Der Islam, Geschichte, Religion und Kultur. S.210)

 

ÜBER DEN AUTOR

Ecevit Polat

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